Humor
1: Die Eiszeitbewohner
Violett leuchtete der flaschenförmige Gletscher und zeigte mit kargem Licht den Weg zum Nachtlager. Vor vielen vielen abertausenden von Jahren da lebte einmal eine Sippe von Eiszeitbewohnern bei dieser verspielten Flussbiegung beim Hügel neben dem dunkelgrünen Tannenwald und dem frostigen Gletscher.
Der Gletscher ruhte gemächlich in seinem stolzen, tiefdunkelblauen glänzenden Antlitz seiner wuchtigen Masse und trotze allen Winden und Stürmen. Die Sippe lebte den Umständen entsprechend gut, doch auch karg und musste sich tagtäglich ihrem harten und verbitterten Überlebenskampf stellen.
Die mammutfelltragenden und birkenrinden-zermalmenden Eiszeitbewohner hiessen Elch, Säbelzahntiger oder Wolf. Der behaarte Sippenleiter der 50-köpfigen Kommune hiess "grosser Fels".
Er war bärenstark und fällte mit blossen Händen uralte fünf Meter breite Buchen, so wie man Zahnstocher zerknickt. Und nicht selten schnappte er sich auf freier Wildbahn einen knusperigen Bären für den Nachtisch.
Er war ein stolzer Sippenführer. Es war auch eine sehr harte Arbeit. Damals bei den Neuwahlen für den neuen Sippenleiter konnte er seine haarigen Eiszeitbewohner folgendermassen überzeugen.
Er klettere auf den fünf Meter hohen Felsen, welcher nahe von den Höhlen lag. Er stand kämpferisch in der Sonne und knirschte mit den Zähnen. Er stampfte wild um sich, dass der stickig braune Staub aufwirbelte, bis der Horizont sich schwarz verfärbte. Dann grunzte er wie ein Auerochse zur Brunftzeit: "So höret hin meine Wähler und Wählerinnen.
Ich will euer neuer Sippenleiter sein. Ich werde euch neue Brombeersträucher bescheren. Ich will mit euch die Eichhörnchen besiegen und einen Mammutstreichelzoo einrichten. Und ich will mit meinem Speer und meiner Muskelkraft uns allen zu Reichtum verhelfen. Dank mir werden wir unser Gebiet verteidigen und vergrössern.
Wählt mich. Oh so sei es oh Schicksal! Oh wählet mich!" Die Meute war natürlich begeistert. Anstatt zu klatschen hauten sie ihre feuersteinbehafteten Keulen in den Boden und grunzten ekstatisch bis spät in die Nacht hinein, wo nur noch die saftige silberige Mondfrucht karges Licht durch die Wolken spendete.
Der "Mammutflüsterer" ist mit seinen wilden Kerlen von der Jagt zurück gekehrt. Eigentlich wollten sie ein Eichhörnchen einkesseln, doch stattdessen ist ihnen ein Säbelzahntiger in ihre Fallgrube gepurzelt. Die Männer erlegten das Tier, vergewisserten sich aber vorher, ob ihnen kein Rudel Eichhörnchen in den Hinterhalt gefolgt sei.
Zuhause mampften sie verkohlte Säbelzahntigertatzen an einer Blaubeersauce mit Johanniskräutern. Die Sippe sass in der grauen Höhle am Feuerplatz und zerteilte die von den Männern erlegten Säbelzahntiger in ein paar leckere mundgerechte Happen: "Her mit der Tigertatze!" Brüllte "grosser Felsen". Und er schnappte sich noch eine weitere Tatze und zermalmte sie mit seinen Hauern. Es klopfte dezent an der Höhle.
"Herein!" brüllte "grosser Felsen". Da stand er in seinen Sandalen, der Mammutflüsterer, sein treuer Diener und bester Freund. Mammutflüsterer ist ein attraktiver nach Tannenbaumharz duftender junger Mann.
Er trägt einen glänzenden Kalbsledergürtel, worauf er seinen Talisman, ein Eichhörnchenzahn angenäht hatte. Das Eichhörnchen hatten sie mal vor vielen, vielen Monden mit zwanzig der mutigsten, tapfersten und kräftigsten Kriegern erlegt.
Er strich sich durch sein filziges Haar und bat um seine Audienz. "Komm rein!" Brüllte der Sippenchef. Mammutflüsterer torkelte in die Höhle und sprach hastig und aufgeregt. Er erzählte von einer Sichtung von irgendwelchen Wesen die er zuvor noch nie gesehen hatte. Der Mammutflüsterer warf sich aufgedreht zu Boden und schrie seine Erzählung in die Runde:
"Sie sprachen eine wildfremde Sprache!! Und und sie kamen aus einem schimmernden, fliegenden Felsen ohne Flügel! Sie trugen komische Felle, die gar keine Felle waren, sondern ganz flach und eben und sie hatten Holz dabei, welches Feuer spuckt. Das ist noch nicht alles! Der fliegende Felsen machte einen ohrenbetäubenden Lärm!"
Der Mammutflüsterer war von seiner Erzählung ganz erschöpft und verschnaufte einen Augenblick. "Grosser Felsen" kratzte sich gekonnt an seinem Bart und überlegte bevor er ihn fragte, ob er wieder einmal Pfeifengras-Schnaps soff und deshalb solche Gespinste erzähle.
Doch Mammutflüsterer ereiferte sich und beteuerte, wie vermutet, stockhageldicht zu sein, doch diese Wesen wirklich gesehen zu haben.
Dem Sippenchef war es nicht wohl dabei. Er glaubte dem Mammutflüsterer sehr wohl. Denn er wusste, dass er schon ein paar Mal, als er stockhageldicht war, die Wahrheit sagte. Auch damals, als er die grünen Ziegen hütete und schrie: "Die Eichhörnchen kommen, die Eichhörnchen kommen," sagte er die Wahrheit.
Also, zumindest nach den ersten drei Fehlalarmen. Doch wie gesagt, Mammutflüsterer war ein guter Kerl. Seine Beobachtungsgabe war immens. Er vermochte die Gedanken der Tiere zu lesen.
Nicht selten wurde er um Rat gefragt, wenn manchmal ein Haus-Mammut nicht spurte. Für ein paar klingende Bronzendukaten und einen Kornschnaps konnte man ihn als Mammutflüsterer anheuern. Seine Technik war bestechend und zugleich auch brillant. Er leerte jeweils den Kornschnaps, torkelte ziellos um das Mammut und lallte ein paar Beschwörungsformeln.
Die Leute jubelten und lobpreisten ihn in Sprechchören.
Der Mammutflüsterer schnaubte freundlich und fragte: "Was ist jetzt mit diesen Wesen?" "Grosser Felsen" überlegte noch ein paar Sonnenuhrsekunden und brüllte: "Wo sind Sie?" Man antwortete ihn, dass sie neben ihrem fliegenden Felsen auf der grünen Lichtung warten, zirka 5'000 Eichhörnchen von hier entfernt. Der Sippenchef erschrak: "Die sind ja ganz in der Nähe!"
Er fing an zu bibbern und zu schlottern und konnte fast nicht mehr schreien: "Dann auf, alarmiere alle Krieger! Wir gehen alle bis an die Zähne bewaffnet Ihnen entgegen und heissen Sie willkommen!" Und tatsächlich, als die ganze Sippe sich misstrauisch der Lichtung auf einer Anhöhe näherte, sah sie einen runden, rosaroten Felsen mitten auf der Lichtung stehen. Ein paar menschenähnliche Gestalten standen daneben und winkten Ihnen zu. Sie kamen ihnen entgegengelaufen.
Die Sippe näherte sich noch ein paar weitere Schritte zu diesen dubiosen Gestalten. Mammutflüsterer hatte Angst und wandte sich an den Sippenleiter: "Die sehen aber komisch aus. Die sind doch nicht von einem Nachbarstamm. Die sehen ganz anders aus." "Grosser Felsen" schrie ganz leise: "PSCHT, wir müssen herausfinden was sie wollen!"
Ein paar Dutzend Eichhörnchen entfernt, blieb "grosser Felsen" stehen, worauf auch seine nachrückenden Krieger stoppten. Die Stimmung war schleierhaft und gespannt. Es war die Ruhe vor dem Sturm.
Einer von diesen Wesen lachte sie freundlich an und sagte: "Hallo Meine Freunde, wir kommen im Frieden. Ihr versteht unsere Sprache weil unsere Übersetzungsmaschine..... ähm ich meine weil unser grosser Medizinmann die Sprache verständlich macht. Wir haben uns verirrt.
Wir wollten eigentlich ins Zwanzigste Jahrhundert zurück." Das Oberhaupt der Eiszeitmenschen verstand die Welt nicht mehr. Er schüttelte seinen verfilzten Kopf und fing an zu brabbeln und zu stampfen und zu schreien. "Was redet ihr für komisches Zeug?!
Ihr befindet euch auf meinem Grundstück! Verschwindet oder ich rufe mein Mammut! Wer seid ihr überhaupt?" Und bevor die Zeitreisenden die Frage beantworten konnten, flippten die Urzeitmenschen vollständig aus.
Die Zukunftsmenschen waren total entsetzt und flüchteten vor den Wilden in Richtung Wald. Die Urzeitmenschen verfolgten sie nicht, sondern schlugen auf die Zeitmaschine ein. Zum Glück konnten sie mit ihren primitiven Werkzeugen der robusten Aussenhülle der Zeitmaschine nicht viel Schaden anhaben.
Der Eingang der Zeitmaschine wurde verschlossen und deshalb konnten die Krieger nicht eindringen und in wilder Ekstase die empfindlichen Geräte zertrümmern. Die zwanzig Zeitreisenden sind in der Zwischenzeit auf eine Anhöhe geflüchtet, von wo aus sie verzweifelt und hilflos dem verrückten Schauspiel beiwohnten. Der Kommandant der Zeitreisenden wusste nicht mehr ein und aus.
Er feuerte darauf eine Leuchtrakete ab, worauf die Urzeitmenschen erschraken, ihre Zerstörung blitzartig stoppten und aus weiter Entfernung die Gruppe anstarrten.
Der Kommandant der Zeitreisenden lief ihnen wieder vorsichtig entgegen. Er zückte einen Schokoladeriegel aus seiner rosaroten Jackentasche und hoffte, damit die brenzlige Situation zu entschärfen. Er zog die Aufmerksamkeit der Urmenschen auf sich. Gemächlich beruhigten sie sich und schauten den Kommandanten trotzig an.
Die im Kleid eingenähte Übersetzungsmaschine funktionierte noch einwandfrei. Dennoch versuchte der Kommandant die Situation mit Händen und Füssen zu meistern. Vielleicht kann ja diese Kommunikation die Situation beruhigen. Mit vorsichtigen Bewegungen versuchte er dem Häuptling deutlich zu machen, dass er ihm den rosaroten Schokoladenriegel schenken möchte.
"Grosser Felsen" war misstrauisch, und nahm das Geschenk zögernd in seine Tatzen. Er schnüffelte daran und steckte ihn sich dann mitsamt dem Papier in den Mund. Die Urzeitmenschen johlten freudig und der Kommandant und seine Mannschaft waren erleichtert.
Die Urzeitmenschen luden sie in ihre Höhlen ein und tischten ihnen ein paar Bären und Säbelzahntiger auf. Am nächsten Tag verliessen die Reisenden im Morgengrauen die bequeme Steinhöhle wieder und verabschiedeten sich von ihren Gastgebern. Der Kommandant bedankte sich beim Sippenchef mit einem Abschiedsgeschenk.
Stolz überreichte er dem Häuptling seinen letzten Schokoladeriegel. "Grosser Felsen" verstand zwar nicht, was er in seiner Tatze hielt, doch wollte er die grosszügige Geste erwidern und schenkte dem Kommandanten sein Mammut.
Der Kommandant war überrascht über das Geschenk. Glücklicherweise fanden sie noch genug Platz in der riesigen Zeitmaschine und nahmen das Mammut mit auf die abenteuerliche Reise durch Raum und Zeit.