Mein Erfahrungsbericht
Abhängigkeit
Abhängigkeit - eigentlich ein recht simples Wort, doch wer selbst davon betroffen ist, weiß, was sich dahinter verbirgt.
Es fällt mir alles andere als leicht, hierüber einen "Pageball" zu erstellen. Aber: mit der Veröffentlichung meiner eigenen Erfahrungen (ich wähle bewusst diesen Weg, da ich wenigstens noch etwas Anonymität/Privatsphäre wahren möchte) verfolge ich drei Gründe:
1. Ich möchte anderen Menschen diese Abwärtsspirale, welche unweigerlich jede Abhängigkeit - bei mir sind es Benzodiazepine und andere Mittel - mit sich bringt, vor Augen führen bis ins kleinste Detail, um die, die noch nicht so weit sind, davon abzuhalten.
2. Ein weiterer Grund: vielleicht gelingt es mir, durch die Veröffentlichung meiner eigenen Erfahrungen hinsichtlich Abhängigkeit von Benzodiazepinen & Co. andere Menschen, welche in den Strudel der Abhängigkeit, ganz gleich von welchen Substanzen, geraten sind, zu ermutigen. Ihnen Mut zu geben, den Weg des Entzuges und in ein neues Leben zu gehen.
3. Der dritte Grund geht schon vage aus der Schilderung des 2. hervor: ich habe mich entschlossen, einen Entzug zu machen.
Ich bekenne mich dazu, zu Abhängigkeit, Substanzmissbrauch, zu Mischkonsum und welche Bezeichnungen es noch für all das gibt. Auch wenn hierüber Vorurteile bestehen, welche ich sogar nachvollziehen kann.
Ich denke, dass ich noch halbwegs rechtzeitig auf die Bremse getreten habe, indem ich es mir selbst eingestehe. Die so genannte "Beschaffungskriminalität" ist bei mir noch nicht eingetreten und es wird auch nicht so weit kommen. Ich arbeite und komme für sämtliche Unkosten selbst auf.
Warum ich diesen Weg noch wähle? Auch ein klein wenig für mich selbst, denn ich werde ein Versprechen eingehen, ein Versprechen, welches ich mir und anderen gebe und einhalten will, wohl wissend, dass dieser Weg alles andere als einfach sein wird. Der Nutzen für mich selbst soll darin liegen, dass ich wahrheitsgemäß regelmäßig berichten werde, über Ausschleichen, Abdosieren und Entzug.
Vielleicht ist es ein Thema, welches nicht viele Menschen interessiert, aber ich glaube, es gibt sehr viele da draußen mit dem gleichen Problem, und noch viel mehr, welche unter Umständen - eventuell auch aufgrund erlebter Traumata - potenziell gefährdet sind. Diese will ich erreichen und ihnen aufzeigen, wie unsinnig es letztlich ist, wie schnell der Weg in eine Abhängigkeit geebnet ist, aber wie verdammt schwer es sein wird, einen solchen Weg wieder zu verlassen, seine Weichen selbst zu stellen in eine andere Richtung.
Vor allem seit ein paar Monaten habe ich immer mehr "ins Programm" aufgenommen. Wie alles kam, darüber möchte ich extra schreiben.
Es gab viele schlimme Ereignisse, das ist Fakt. Fakt ist aber auch, dass ich an meiner jetzigen Situation ganz allein die Schuld trage, denn ich hätte es besser wissen müssen, da ich beste Beispiele, Vorbilder hatte, so dass ich mir bereits im Alter von sieben Jahren vornahm, dass ich mein Leben niemals, was auch immer geschehen mag, von irgend einer Sucht bestimmen lassen würde. Weil ich den Abstieg live miterleben musste, bei Menschen, die mir sehr viel bedeutet haben.
Vor diesem Background ist es mir heute unverständlich, warum ich trotz allem explizit und wissentlich diesen Weg eingeschlagen habe. Wie geschrieben, etwas wie Abhängigkeit öffentlich zuzugeben, ist alles andere als leicht. Nur ich denke, warum nur über Leichtes schreiben? Man schreibt und spricht gerne über die Fehler anderer, also warum nicht über seine eigenen Fehler, insbesondere über seinen eigenen Generalfehler schreiben?
Ich hoffe, dass ich durchhalten kann, denn ich habe mir vorgenommen, darüber offen und ehrlich zu berichten, wie alles kam. Ich werde alles aufschreiben, was im Lauf der Zeit hinzukam, was eine Toleranzentwicklung ist, wie man sich fühlt. Und ich werde darüber berichten, wie ich nun definitiv alles nacheinander ausschleichen und absetzen werde und wie es mir dabei geht.
Mir ist schon klar, dass ich auch auf Vorurteile stoßen werde. Aber ich kann es absolut verstehen, dass "so etwas" für Außenstehende nicht nachvollziehbar ist, und dies nicht zuletzt, weil ich selbst vor dieser Zeit nicht verstehen konnte, wie Menschen so weit kommen können, allerdings habe ich nie über sie gerichtet, im Gegenteil.
Vielleicht ist es eine gute Idee, vor allem auch für andere, vielleicht auch nicht. Das wird sich zeigen. Es ist ein zweiseitiges Experiment. Auf der einen Seite das Eingeständnis und der Wille, einen anderen Weg einzuschlagen und auf der anderen Seite Betroffene anzusprechen. Nicht mehr und nicht weniger ist meine Absicht.
Natürlich könnte ich auch sehr viel über "schöne und leichte Themen" schreiben, aber das Leben besteht nicht nur aus Schönheit und Leichtigkeit, sondern hat auch sehr viele Schattenseiten. Leider.