Erziehung & Kinder
Autismus bei Kindern
Mein Sohn, der Autist
Als mein Sohn 2005 zur Welt kam, waren wir natürlich überglücklich. Er ist unser zweites Kind und darum machte ich mir keine Sorgen, ob ich all den Anforderungen, die ein Baby mit sich bringt, gerecht werden kann. Doch bald schon entwickelte die Erziehung meines Sohnes ein erstaunliches Eigenleben und brachte mich an den Rand eines Nervenzusammenbruches.
Das erste Jahr machte mein Sohn Max scheinbar eine ganz normale Entwicklung durch. Er lernte sitzen, krabbeln und schließlich lief er die ersten Schritte. Zwar merkten wir schnell, dass Max ein Tollpatsch war, doch wer ahnt denn schon, dass seine Tollpatschigkeit noch einen anderen Hintergrund hat!? Und auch die Verwunderung der Nachbarn und Bekannten über Maxis schlechte Sprachentwicklung taten wir mit dem Wissen ab, dass sich jedes Kind anders entwickelt und Maxi beim Sprechen eben etwas länger braucht. Das, was uns Sorgen bereitete waren neben seiner Unruhe bei Nacht- er wachte nachts mehrmals auf- seine Wahnsinns- Energie, die er auch tagsüber an den Tag legte. Max war wie eine „Aufzieh- Puppe“ bei der die Mechanik hängt. Ob Tag oder Nacht, er kam einfach nicht zur Ruhe. Zudem war Max auch nicht das brave kleine Bübchen, das Opa und Oma gerne mit in den Urlaub nehmen würden. Nein, er war eher der Satansbraten, der mit seinem Unwesen seine Umwelt in „Angst und Schrecken“ versetzte. Dies war natürlich auch ein gefundenes „Fressen“ für die, die schon immer wussten, was mein Mann und ich bei der Erziehung unserer Kinder alles falsch machten…
Nun hatten wir also ein 1 Jähriges Kind, das schlecht spricht, extrem unruhig ist und außerdem rotzfrech und laut wie eine ganze Fußballmannschaft. Max schien auch schlecht zu hören: egal ob wir ihn lobten- was leider eher selten vor kam- oder einmal mehr schimpften, er beachtete uns nicht die Bohne! Er schaute uns nicht einmal in die Augen. Als wären wir, seine Eltern, einfach nicht da. Das machte mich rasend vor Wut. Mit der Zeit war ich froh, wenn der Tag zu Ende ging, denn dann konnte ich mich endlich in mein Bett flüchten.
Es kam der Tag, Max war gerade 2einhalb Jahre alt, da durfte er in den Kindergarten gehen. Dass er noch nicht sauber war schien dabei nicht das große Problem zu sein. Die Erzieherinnen, die ausgebildeten Fachkräfte, die seit Jahren die unterschiedlichsten Kinder betreuten waren schon nach zwei Wochen so überfordert mit unserem Sohn, dass sie ihn kurzer Hand einfach vor die Tür setzten! Nun stand ich da, wütend auf den Kindergarten, wütend auf Max, wütend auf mich selbst. Warum konnte ich den Verlauf nicht ahnen? Fast täglich rief mich der Kindergarten an, ich solle meinen Sohn holen weil… Ich hätte es kommen sehen müssen und jetzt, Max an der einen Hand und sein Hab und Gut aus dem Kindergarten in der anderen, stand ich ratlos und mit Tränen in den Augen vor meinem Auto. Es muss etwas passieren! Mein zweites Kind entwickelte auch schon Auffälligkeiten und Streit mit meinem Mann war schon zum Alltag geworden. Nur Max schien glücklich zu sein.
Ich rief seinen Kinderarzt an und vereinbarte einen Termin. Nachdem er meine Schilderungen gehört hatte und nachdem, was ihm bei den Untersuchungen in der Vergangenheit auch schon aufgefallen war, veranlasste er einen Termin in einer Kinderpsychiatrie. Das war natürlich erst einmal ein Schock für mich- Kinderpsychiatrie- wie sich das schon anhörte! Im Nachhinein war dies die einzig richtige Entscheidung und ich bin froh, dass der Kinderarzt seine Arbeit verstand. Die folgenden Tests, Fragen zur Familiengeschichte und, und, und brachten zuerst die Erkenntnis, dass Max Hyperaktiv ist. Nun kennt man mittlerweile ADHS aus den Medien, doch ich wäre niemals selber darauf gekommen, das Maxi ADHS haben könnte. Da ich auch noch nicht so aufgeklärt war, machte ich mir darüber auch weniger Gedanken. Gut, dann hat er halt ADHS. Da geht die Welt schon nicht unter. Ich wusste noch
nicht, wie viel Kraft mich das zukünftig noch kosten wird. ADHS war für uns die Antwort auf seine Unruhe, seine Tollpatschigkeit, auf sein ganzes Wesen. Während ich mich darum bemühte, mit Hilfe des www mehr Informationen über den Umgang mit ADHS Kindern ein zu holen, bat mich die Kinderpsychiaterin um weitere Termine. Sie erklärte mir, dass ein ADHS selten allein käme und Max Auffälligkeiten habe, die mit der Störung der Hyperaktivität nichts zu tun habe: bei vorherigen Tests sei aufgefallen, das Max keinen Blickkontakt aufbauen könne, er erkenne Situationen nicht, er würde stereotype Verhaltensweisen zeigen, er könne Emotionen anderer nicht einordnen, darum merkt Max nicht, dass er etwas „falsch“ macht. Die Liste seiner Auffälligkeiten ging noch weiter. Dies alles war uns zuvor nie aufgefallen! In diesem Zusammenhang viel das Wort Autismus. Ich musste erst einmal um Luft schnappen! Für mich ging gerade die Welt unter, denn Autismus stand für eine Dimension die ich nicht ansatzweise einordnen konnte.
Nachdem Max noch sehr jung war, verblieben wir vorerst auf der „Vermutung“ des Autismus. Die Tests waren nicht auf einen drei Jährigen ausgerichtet und sofern es sich nicht um einen Kanner- Autisten handelt, bei dem eindeutig ist, dass er die tiefgreifende Entwicklungsstörung Autismus hat, sollten diese Tests nur sehr eingeschränkt als „Aussage“ dienen. Doch das Gutachten, das die Kinderpsychiatrie anfertigte, reichte aus, damit Max in einen geeigneten, Heilpädagogischen Kindergarten gehen konnte. Nun war ich auf der richtigen Schiene: zum ersten Mal nahm man uns ernst, zum ersten Mal wurden wir nicht abgestempelt, weil ich zum Beispiel mit nicht mal 25 Jahren noch sehr jung war- „das kann ja nicht gut gehen“- oder Maxi ebenso ist wie er ist. Und, was das schönste war: wir bekamen zum ersten Mal seit seiner Geburt echte Hilfe. Die folgenden Tests, die bis heute in regelmäßigen Abständen gemacht werden, ergaben eindeutig: Max ist Autist.
http://www.autismus.com/
http://w3.autismus.de/pages/startseite.php
http://www.aspies.de/
Die ganze Zeit über dachte man, man kenne sein Kind. Ich habe ihn auf die Welt gebracht, ich gab ihm einen Namen und jetzt, mit der Diagnose Autismus, betrachtet man sein Kind aus einer ganz anderen Perspektive. Plötzlich ist alles anders. Er, Max ist anders. Was einen vorher so gestört hat, hat nun einen Namen bekommen und damit eine Chance zu verstehen und auf die „richtige“ Weise damit umzugehen. Die Welt da draußen ist nicht die Welt von meinem Sohn. Er nimmt an ihr zwar teil, doch nur soweit, wie er sie versteht. Max hat mittlerweile gelernt zu sprechen, er kann sogar zählen und Farben und Formen benennen und wirkt nach Außen zumindest anfänglich wie ein ganz normales Kind. Doch es gibt noch vieles, das ihn von einem anderen, „normalen“ Kind deutlich unterscheidet.
Dies ist auch, was uns- meine Tochter, meinen Mann, Maxi und mich an den Rand der Gesellschaft getrieben hat. Obwohl über Autismus einiges bekannt ist, ist es im Alltag nicht einfach, Fremden und ja, sogar der eigenen Familie und den Bekannten gerecht zu werden. Schon ein stinknormaler Einkauf kann zu einem riesen Problem ausarten, je nach Maxis Laune. Obwohl er uns sehr viel Kraft und noch mehr Nerven kostet, wir lieben ihn genauso, wie wir unsere Tochter lieben. Er bereichert uns gleichermaßen, an ihm konnten wir über uns hinaus wachsen, ich würde fast behaupten, um einen „ganzen Horizont“. Denn er, Max, ein mittlerweile 5 Jähriger Junge, gibt uns Erwachsenen die Möglichkeit diese Welt mit anderen Augen zu sehen, zu erleben und seine Welt, eine andere, kennen zu lernen. Als das Wort Autismus zum ersten Mal viel, dachte ich an Bestrafung. Bestrafung für meinen Sohn, meine Familie und für mich. Heute weiß ich, das ist keine Strafe. Das ist einfach nur Max und wir sind froh dass wir ihn haben. Punkt.