Der Lektor
Buchveröffentlichung
Autoren kennen das Problem. Man hat monate-, ja oftmals jahrelang, an einem Text gearbeitet, ihn auf Schwachstellen abgeklopft, mit Formulierungen gekämpft, Für und Wider für einzelne Worte abgewogen. Man hängt an jeder Zeile. Kein Satzzeichen soll verschoben werden, kein Abschnitt gekürzt oder verändert. Es soll das bleiben, wozu wir es gemacht haben.
Und dann kommt der nächste Schritt. Der Lektor. Er ist wichtig, weil er Mut zum Streichen hat, nicht jedes Wortspiel zum Geniestreich erklärt und Passagen, die langatmig und nicht aussagekräftig genug für die Gesamtaussage des Textes sind, gnadenlos ausradiert. Selbst leichtes Umschreiben des Textes wird oft vom Autor so wahrgenommen.
Der Lektor muss Einfühlungsvermögen mitbringen. Zu oft haben Autoren schon aus lauter Selbstzweifel ganze Manuskripte zurück gezogen, alles ausradiert.
Der Autor wird spätestens nach der vierten oder fünften Überarbeitung seines Textes betriebsblind. Deshalb muss er sich auf den Lektor verlassen können. Dieser ist im besten Fall mit genug des erwähnten Einfühlungsvermögens ausgestattet, um den sensiblen Autor in keine Krise zu manövrieren, jedoch scharfsinnig genug, um die Schwächen eines Textes zu finden und in kommunikativer Zusammenarbeit mit dem Autor auszugleichen.