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Der liberalisierte Strommarkt

Strom ist die Quelle allen Fortschritts und Wohlstandes.

Der leichtfertige Umgang mit der Versorgungssicherheit aus populistischen Erwägungen heraus ist äußerst riskant! Wer alles ablehnt, was bisher für eine sichere Stromversorgung stand, kann nicht erwarten, dass an der Sicherheit der Versorgung keine Abstriche gemacht werden müssen.

Offenbar muss es erst zum bundesweiten Stromausfall kommen, damit diese Leute wach werden.

Der liberalisierte Strommarkt
Der liberalisierte Strommarkt

Grenzenloser Stromhandel und stabile Stromversorgung

Ein Grundprinzip zur Kostenminimierung bei der Netzplanung ist die verbrauchernahe Erzeugung. So werden Aufwand zur Energieübertragung und Verluste gering gehalten.Kurze Übertragungswege wirken sich auch günstig auf die Stabilität und die Spannungshaltung eines Netzes aus und damit auf die Versorgungszuverlässigkeit.
Durch den Verbundbetrieb mehrerer Netze wird eine gegenseitige Stützung bei Störungen erreicht. Vorteile sind ebenso der Bau großer und damit wirtschaftlicher Blöcke und die Beherrschung des Ausfalls dieser großen Einheiten. Durch eine auf alle Erzeuger aufgeteilte Reserve werden die Kosten für die Versorgungssicherheit durch gegenseitige Unterstützung optimiert.
Die Deregulierung hat das ursprüngliche Gefüge zwischen Erzeugung, Transport und Verbrauch verändert. Die Übertragungsnetze sind von Erzeugung und Verteilung entflochten.
Die resultierende kraftwerksseitige Netzstützung ergibt sich allein aus dem sich im Wettbewerb einstellenden Kraftwerkseinsatz. Dabei muss bei Erreichen von Grenzsituationen dem Netzbetreiber zugestanden werden, in die Erzeugung einzugreifen!
Die vorhandenen Systeme werden allen Marktteilnehmern diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt. Die Erzeugungskosten sind aufgrund der lokalen Rahmenbedingungen unterschiedlich. Die verschärften Wettbewerbsbedingungen führen teilweise zu einem Kraftwerkseinsatz, der nicht mehr verbrauchernah und starken zeitlichen Änderungen unterworfen ist. Das führt zu hohen internationalen Transporten und wechselnden Leistungsflüssen in den Netzen und damit zu höheren Belastungen der Kuppelleitungen zu Nachbarnetzen. Hinzu kommt, dass Kraftwerke stillgelegt und an den betroffenen Standorten keine Neuinvestitionen getätigt werden. Der Einsatz von Kraftwerken ändert sich marktorientiert und ist gekennzeichnet durch die verstärkte Nutzung regenativer Energien, insbesondere der Windenergie. Diese führt wegen der Standortgebundenheit und ihrer Unstetigkeit zu erheblichen zeitlich veränderten Transportleistungen, die wiederum Netzengpässe zur Folge haben können.Der Zunahme und Ausweitung wettbewerbsbedingter Transite sind damit Grenzen gesetzt.
Die nur stochastisch verfügbare Windenergie schränkt die diskriminierungsfreie Netznutzung anderer Netzkunden dadurch ein, dass sie (politisch gewollt) Vorrang genießt.
Ein Ausbau der Netzkapazität ist aufgrund von Trassenproblemen nur begrenzt möglich und sowohl mit langwierigen Genehmigungsverfahren als auch Ablehnung in der Öffentlichkeit verbunden.
Eine Ausweitung der Transite belastet das Netz bis an seine Grenzen. Beim Ausfall eines einzelnen Kraftwerkes oder einer Leitung muss dann mit dem Ausfall weiterer Betriebsmittel gerechnet werden, was zu größeren Versorgungsausfällen und schlimmstenfalls großflächigen Blackouts führen kann.Deshalb müssen Transite kooordiniert werden und ggf. begrenzbar sein. Aufgrund physikalischer Gesetze muss sich der Stromhandel und damit verbunden der Kraftwerkseinsatz an begrenzten Veränderungsmöglichkeiten orientieren.
Für die Planung neuer Kraftwerke und besonders für die Einbindung von Windparks sollte einem nachhaltigen Konzept gefolgt werden.
Die für die stabile Versorgung notwendigen Regelkonzepte basieren bisher auf einer ausgewogenen Verteilung der Kraftwerke in der jeweiligen Netzregion. Das hat den Vorteil, dass Störungen in unmittelbarer Umgebung ausgeregelt werden können, die Beeinflussung der Nachbarnetze bleibt gering. Die Übertragungsfähigkeit der Kuppelleitungen wird nicht überbeansprucht. Dieses System dürfte in Kürze an seine Grenzen gebracht werden.
 

Ausreichende Netzinvestitionen?

Eine wesentliche Ursache für die Blackouts der Vergangenheit bestand darin, dass die Netze bereits im Normalbetrieb hoch ausgelastet waren. Damit wurden diese Netze im Grenzbereich entsprechend des sog. n-1 Kriteriums gefahren. Das bedeutet, dass der Ausfall eines Betriebsmittels noch problemlos beherrscht werden kann und keine Folgeerscheinungen nach sich zieht.
Bereits bis an ihre Grenzen belastete Leitungen werden im Störungsfall überlastet. Bei Grenzwertüberschreitungen werden sie durch elektrische Schutztechnik abgeschaltet.
Bei Überlastung der Kuppelleitungen kann aus anderen Netzen bereitgestellte Reserveleistung  nicht mehr sicher transportiert werden. Die Folge sind weitere Leitungsabschaltungen und möglicherweise Lawineneffekte bis hin zum totalen Netzzusammenbruch.
 

Verbraucher-Rückwirkungen

Störungsverläufe wie bei den Blackouts in den USA und Italien vergangener Jahre haben weitere Probleme sehr deutlich gemacht. Auch die Verbraucher mit ihren elektrischen Geräten als Bestandteil des Stromversorgungssystems haben Einfluss auf das Verhalten des Systems in Extremsituationen. Das trifft natürlich auch für den ungestörten Betrieb zu. Zum Beispiel ist die Zunahme von Haushaltsgeräten mit motorischen Antrieben (Klimageräte, Waschmaschinen, Trockner) ein Faktor, der das Auftreten eines Spannungskollaps nach Spannungseinbrüchen und damit verbundenen Schwankungen des Blindleistungshaushaltes begünstigt.

Strukturelle Aspekte

Es besteht angesichts der gegenwärtigen soliden Substanz der Stromnetze und der Sicherheitsphilosophie in Deutschland kein Grund zu übertriebener Besorgnis.
Mit Blick in die Zukunft sollten die bekannten Stromausfälle jedoch zum Anlass genommen werden, ein langfristig tragfähiges Energieentwicklungskonzept für Deutschland zu erstellen. Der Energiemix und die Netzstrukturen müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass die Versorgungszuverlässigkeit in den nächsten 20 Jahren (und natürlich darüber hinaus) nicht sinkt.
Folgende strukturelle Aspekte müssen dabei berücksichtigt werden:
Deutschland ist noch weitgehend von einer verbrauchernahen Stromerzeugung geprägt.Durch die großflächige Nutzung von Windkraft im Norden, die Stilllegung von Kraftwerken und durch immer mehr Horizontaltransite im liberalisierten internationalen Energiemarkt findet z.Zt. eine Veränderung dieser Struktur statt.
Zwar ist die Systemsicherheit gegenwärtig noch nicht gefährdet, dennoch ist darauf hinzuweisen, dass deutsche Netze nicht für größere Stromtransporte konzipiert sind. Über große Entfernungen hoch ausgelastete Netze bergen ein erhöhtes Risiko für kaskadenartige Ausbreitung von Störungen. Selbst ein umfangreicher Ausbau kann die fehlende und stabilisierende Wirkung von Kraftwerkseinspeisungen, die sich nicht in großer Entfernung befinden, nicht ausgleichen.
Eine Einschränkung ist auch durch die Übertragungsspannung gegeben, die in Europa mit 380 kV deutlich geringere Übertragungsmengen- und Entfernungen zulässt, als beispielsweise in den USA und Russland, wo die Netze mit Spannungen von 500 kV und 750 kV betrieben werden.
Auch im Bereich der elektrischen Systemsicherheit (Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch) tun sich Defizite auf. Durch den wachsenden Anteil schwankender Windleistung steigen die Anforderungen an die Regelfähigkeit der Kraftwerke, an die Spannungshaltung und an die lastnahe Blindleistungsbereitstellung.
Die Windenergieanlagen müssen zukünftig an der Frequenz- und Spannungshaltung durch entsprechende Regelkonzepte beteiligt werden.
Es ist an der Zeit, Korrekturmaßnahmen einzuleiten, um die Versorgungssicherheit mittel- und langfristig nicht zu gefährden.
 

Konsequenzen

Es ist die Tendenz zu beobachten, dass Investitionen zurückgestellt, Betriebszeiten von Anlagen verlängert und die Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen zurückgefahren werden. Gleichzeitig nimmt die Anlagenauslastung zu, Netzreserven werden abgebaut, Erzeugungsreserven minimiert.
Was ist in Zukunft erforderlich ?
1. die Zuverlässigkeit der deutschen Stromversorgung nicht durch drohende Leistungsdefizite und fehlende Übertragungsfähigkeiten der Netze in Frage stellen zu lassen.
So ist geplant, bis 2021 die Kernkraftwerke stillzulegen sowie die Kohleverstromung zu reduzieren. Das dadurch entstehende Leistungsdefizit soll durch Erneuerbare Energien kompensiert werden.
2. die Übertragungsnetzbetreiber in die Lage zu versetzen, dass sie Systemverantwortung durch anzupassende nationale und internationale Regelwerke wahrnehmen können
Die Existenz der vier Regelzonen in Deutschland innerhalb derer ausgeregelt wird, hat sich als Basis für ein großes Verbundsystem bewährt.
3. genügend Regelleistung zum Ausregeln der Leistungsschwankungen der Windenergie bereitzustellen
Diese Regelleistung wird von konventionellen Kraftwerken erbracht, die – gemessen am etwa 40000 MW betragenden Erstazbedarf der Kraftwerksleistung bis 2020 – nicht termingerecht zur Verfügung stehen werden.
4. beim Regulierungsmodell des Stromversorgungssystems ein ausreichendes Gewicht auf die Versorgungsqualität zu legen.
Bisher praktizierte Regulierungsansätze in den Nachbarstaaten sind zu einseitig auf Kostenreduzierung bedacht, machen keine Vorgaben für Qualität und setzen kaum Anreize zum Investieren. Es ist daher eine Regulierung anzustreben, die der Systemstabilität, dem Substanzerhalt und der Erweiterung der Netze sowie der Rentabilität ausreichend Beachtung schenkt und nicht nur einseitig den Netztarif reguliert.