Die schicke ärmellose Weste lässt sich gut mit einem Tallit tragen
Der Pullunder - ideal für die Synagoge
Der scheinbare Anglizismus Pullunder weist darauf hin, dass dieser traditionell unter einer Weste getragen wird. Diese Tragweise ist heute aber nicht mehr die einzige, sondern viele Frauen und Männer tragen ihren Pullunder über einem Hemd und (während des Aufenthaltes in geschlossenen Räumen) keine zusätzliche Weste oder Jacke und auch keinen weiteren Mantel mehr darüber. Einer der für einen Pullunder im Herbst und Winter geeigneten Orte ist die Synagoge.
Warum sich der Pullunder gut für die Synagoge eignet
Am Freitagabend beim Qabbalat (Kabbalat) Schabbat tragen deutlich mehr Männer einen Anzug mit einer Krawatte als beim Schacharit am Samstagmorgen. Der Grund ist einfach: Das Tragen eines Tallits über einem Anzug ist nicht einfach und in gut geheizten Synagogen auch zu warm, vor allem aber verrutscht der Gebetsschal leicht über der Anzugsjacke. Dasselbe gilt auch beim Tragen einer Strickjacke als Variante zur Anzugjacke und in egalitären Synagogen selbstverständlich auch für Frauen. Der Pullunder ist eine gute Alternative zur Anzug- oder Kostümjacke, denn über ihm verrutscht der Tallit nicht. Den Mantel oder die Regenjacke ziehen Beterinnen und Beter in der Synagoge aus, so dass sie den Pullunder sichtbar und als Abschluss der Oberbekleidung tragen.
Gibt es halachische Bestimmungen für den Pullunder in der Synagoge?
Die einzige halachische Bestimmung für das Tragen eines Pullunders lautet, dass dieser nicht zugleich aus Wolle und Leinen hergestellt sein soll, denn ein solches Kleidungsstück gilt als Schatnes und ist laut Tora (5.Buch Mose – Devarim oder auch Deuteronomium – 22,19) verboten. Dieses Verbot bezieht sich nicht auf Mischfasern generell, sondern nur auf die Kombination von Wolle und Leinen. Eine Verbindung von Baumwollfasern und Leinen oder auch Hanffasern mit Baumwolle und Wolle ist damit nicht verboten. Das Schatnes-Verbot bezieht sich nur auf ein einzelnes aus Wolle und Leinen bestehendes Kleidungsstück, während das Tragen eines Pullunders aus Wolle über einem Hemd aus Leinen erlaubt ist, denn dabei handelt es sich um zwei getrennte Kleidungsstücke. Die mit Abstand meisten im Handel angebotenen Pullunder sind aus Baumwolle und somit ohnehin vollkommen unproblematisch. In wenigen streng orthodoxen Gemeinden stößt der Pullunder auf eine besondere Schwierigkeit. Diese interpretieren das Verbot der Kleidung des anderen Geschlechtes zugleich als ein Verbot von Unisex-Kleidung, wozu ein Pullunder eindeutig gehört. Bei extrem strenger Auslegung können diese Synagogen ihren Mitgliedern eigentlich auch T-Shirts nicht erlauben, denn diese sind ebenso wie Pullunder grundsätzlich Unisex-Bekleidung. Auch bei Werktagsgottesdiensten bietet sich der Pullunder als Alternative zur Anzugjacke oder zur Strickjacke an, da das Hochschieben der Ärmel zum Anlegen der Gebetsriemen entfällt – die Ärmel eines Hemdes lassen sich meistens leicht hochschieben. Ob nichtorthodoxe Juden Gebetsriemen tragen oder das Gebot, die Worte des Höre Israel auf das Herz und die Hände zu schreiben symbolisch verstehen, bleibt ihnen überlassen und wird unterschiedlich ausgelegt und gehandhabt. Einen Zusatzeffekt des Pullunders am Schabbat besteht darin, dass ein schicker Pullunder festlich wirkt und somit das Gebot der feierlichen Kleidung erfüllt.
Was ist modisch beim Pullunder zu beachten?
Idealerweise passt der Pullunder farblich zum Oberhemd beziehungsweise zur Bluse. Dabei gilt der Grundsatz, dass zu gemusterten Oberhemden und Blusen nur einfarbige Pullunder und zu bunten Mustern beim Pullunder nur einfarbige Hemden und Blusen passen. Wenn beide Teile einfarbig sind, sollen die Farben miteinander harmonieren, wobei diese Wahrnehmung teilweise einem modischen Wandel unterworfen ist. In meiner Kindheit war die Kombination aus einem grünen Hemd beziehungsweise einer grünen Bluse und einem blauen Pullunder verpönt, da Grün und Blau modisch als nicht miteinander kombinierbar galten. Diese Wahrnehmung hat sich heute geändert. Am Versöhnungstag ist sogar eine vollkommen einfarbige Kombination aus weißem Hemd oder weißer Bluse und weißem Pullunder tragbar – auch in Abstufungen und weißähnlichen Farben wie Creme oder Hellbeige -, da Weiß einfach d i e angesagte Kleidungsfarbe am Jom Kippur ist. An anderen Tagen sollten die Farben von Bluse oder Hemd und Pullunder aber nicht zu ähnlich ausfallen.