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„Der Totensee“ – Der erste norwegische Horrorfilm
Seit einigen Jahren kommen aus Norwegen viele gute und interessante Horrorfilme wie beispielsweise die Slasher-Reihe „Cold Prey“ oder der Nazi-Zombie-Trash „Dead Snow“. Angesichts der Qualität dieser Filme kann man leicht vergessen, dass es sich dabei um eine relativ junge Entwicklung handelt, die vor etwa zehn Jahren begann. In der ganzen Zeit davor gab es nur einen Film, der als Kuriosum aus der normalen norwegischen Produktion herausfiel: „Der Totensee“ („De Dødes Tjern“, 1958) des Regisseurs Kåre Bergstrøm.
Eine alte Legende
Vor hundert Jahren lebte ein Mann mit seiner Schwester auf einem Bauernhof. Dieser Mann hatte ein Holzbein und ertrug keinen Menschen außer seiner Schwester. Daher folgte er auch ihr und einem Knecht, als die beiden sich verliebt hatten und vor ihm geflohen waren. In einer Hütte an einem See spürte er beide auf und erschlug sie mit einem Beil. Die zwei Leichen warf er in den anliegenden See. Danach wurde er verrückt und ertränkte sich. Seitdem wird erzählt, dass der Geist des Mörders umhergeht, so dass Menschen von ihm besessen werden und sich, vom Wasser des Sees angezogen, in diesem ertränken.
Um jene alte Geschichte rankt sich die Story des norwegischen Filmklassikers „Der Totensee“ (1958), den es als norwegische Import-DVD mit englischen Untertiteln gibt (siehe DVD "The Lake of the Damned" in Liste unten). Der Film beginnt damit, dass vier Männer und zwei Frauen mit dem Zug weit aufs Land zu jener ominösen Hütte am See fahren, da der Bruder einer der Frauen dort jagen und sich erholen wollte. Aber seit längerem hat er nichts mehr von sich hören lassen. Nicht alle werden diesen Hüttenurlaub überleben.
Ein stimmungsvoller Klassiker
In stimmungsvolle und unheimliche 74min zieht der Film die Handlung des gleichnamigen Romans von Andre Bjerke zusammen, der diesen Gruselkrimi 1942 unter dem Pseudonym Bernhard Borge veröffentlichte. Im Mittelpunkt steht der See, dessen Glitzern sich unheilverkündend auf den Gesichtern spiegelt. Unterlegt wird alles von einer faszinierenden, sparsamen Musik, die die mörderische Saugkraft des Gewässers in Töne fasst. Ungerührt von allen seltsamen Geschehnissen und der düsteren Atmosphäre bleibt der Psychoanalytiker Bugge, der mit freudianischer Logik den Geschehnissen auf der Spur ist.
Gleichzeitig ist der Film, wie auch alle Krimis Bjerkes, voller Ironie und Humor, witziger und geistreicher Dialoge, was sicher auch an Bjerkes direkter Mitarbeit liegt, der sogar eine der Rollen übernahm. Er spielt dabei nicht etwa den Autor Bernhard Borge, sondern einen Mann, der die Existenz von Okkultem und Übersinnlichem uneingeschränkt bejaht und verkündet, dass der Mensch vom Dunkel umgeben ist.
Die Vorlage und der Autor
In diese Richtung hatte sich auch Andre Bjerkes Weltsicht selbst gewandelt. Hatte er noch 1941 mit „Nattmennesket“ („Der Nachtmensch“) den norwegischen Kriminalroman erneuert, indem er mit Hilfe der Figur des Psychoanalytikers Bugge streng wissenschaftlich die tiefenpsychologischen Motive des Täters offenlegte, wurde er später nicht nur in seiner Prosa zu einem Kritiker der wissenschaftlichen Weltsicht. Sein Kampf für die Anerkennung übersinnlicher Phänomene führte in den 70´er Jahren sogar zu „Im Grenzland“, einer Reihe im norwegischen Fernsehen. So ist denn auch der Schluss des Films etwas anders als das Buch.
[Drei Romane Bjerkes erschienen zwischen 1949 und 1959 in Deutschland: „Der Nachtmensch“ („Nattmennesket“), „Tod im Blausee“ („De Dødes Tjern“) und „Tote Männer gehen an Land“ („Døde Menn går i Land“. Leider sind sie momentan nur antiquarisch erhältlich.]
Auswirkungen
Wie populär Film und Buch auch heute noch in Skandinavien sind, und wie viel Einfluss dieser Film auf junge Regisseure hatte, die den Film in ihrer Kindheit im Fernsehen geguckt haben, zeigen besonders zwei skandinavische Filme mit deutlichen inhaltlichen Anleihen an das Vorbild: „Der Fluch von Hellestad“ (2004) von Mikael Håfström und „Die Tote am See“ (2003) von Pål Øie.
Aber es gab noch eine andere Langzeitwirkung des Films: Andre Bjerke und die zweite Hauptdarstellerin Henny Moan, die eine der großen Filmstars Norwegens war, verliebten sich, heirateten und bekamen die Tochter Vilde.