Erziehung & Kinder
Die geklaute Pfirsichbaumpracht
http://Geklaute Pfirsichbaumpracht
Ich erinnere mich noch, als Bruder Jupp noch die Garten-Regie führte. Da durfte kein Grashälmchen auf den Beeten zu sehen sein. Die Tomatenpfähle standen in Reihe und Glied wie mit der Wasserwaage ausgerichtet. Wenn eine Blumepflanze vertrocknet war und ich goss diese, lästert Jupp: „Mein Bruder gibt jeder toten Blume noch zu trinken!“
Lange ist es her, da siebte Jupp Feierabend für Feierabend, den Misthaufen durch und hob eine Grube aus, in die kam die ganze, schöne, schwarze Humuserde. Darauf pflanzte Jupp einen Pfirsichbaum. So schnell und prächtigund wohlgenährt wuchs in Thüringen kein einziger Pfirsichbaum. Die Pfirsichblüte war eine Augenweide von Bienen wie verrückt umsummt. Jupps Töchterchen, Heide, keine drei Käse hoch, wollte immer auf den Pfirsichbaum klettern, die grünen Pfirsichbällchen abpflücken. Diese röteten sich langsam von Woche zu Woche. Eines Abends pflückten wir ein paar Pfirsiche ab, für jeden einen als Kostprobe, so groß, dass zwei Hände diese umfassen mussten, der süße köstliche Saft lief uns zum Munde herunter.
Am anderen Morgen eines arbeitsfreien Sonnabends sollten die Prachtpfirsiche, um die uns alle beneideten, geerntet werden. „Bei Jupp heckt der Ochse!“ lästerten sie.
Ich vergesse es nie, wie wir morgens freudig in den Garten kamen und erschrocken den Pfirsichbaum anguckten, die Krone war abgebrochen, lag am Boden, kein einziger Pfirsich hing mehr am Baum, der Boden von Stiefelabdrücken übersät. Unsere sowjetischen Befreier ,der Roten Armee hatten in einer Nacht und Nebelaktion uns von den schönen Pfirsichen befreit. Kleinheike weinte herzzerreißend, steckt mich an, ein paar Tränen kullerten auch aus meinen Augen. Die Krone nochmals abgesägt mit Lehm verschmiert. Das half aber nicht, der Baum fing mit harzen an, an immer mehr Stellen und trug nie wieder einen einzigen Pfirsich.
Wir konnten Pfirsichbäume nachpflanzen, wie wir wollten, die Zweige verdorrten oder harzten. Ebenso erging es allen Gartenfreunden, deren Pfirsichbäume wurden von der Viruskrankheit angesteckt, bis auf einen, der züchtete kleine „Kernechte“ aus Pfirsichkernen.
Erst als wir von unseren Befreiern befreit wurden, brauchten wir keine Pfirsichbäume mehr anzupflanzen. Da konnten wir in den Läden wieder Bananen und billige Pfirsiche in Hülle und Fülle kaufen.
