Die Näherin
Die Näherin
Hakasi

Über Mich

Die Näherin

Voll mit Näharbeiten, Auftragsarbeiten für andere Frauen: Ich lebe davon, andere Frauen zurechtzumachen, sie anzuziehen für Bälle, Feste, Hochzeiten und Partys. Ich lebe davon, ihre Effekte zu verstecken, Fettpölsterchen, Cellulitis und Streifen, dicke Oberarme, faltige Hälse, fehlender Busen. Nur wenige haben keine Defekte vorzuweisen. Stoffbahnen retten fehlende Formen, Farben erfüllen ihre heimliche, großzügige Funktion.
Niemals fehlt es den Frauen an einem Lächeln, wenn sie sich im Spiegel sehen, auch wenn sie noch so hässlich sind. Während ich Abnäher, Falten und Fransen nähe, stelle ich mir Halsketten, Make up und Haarpracht vor und alle sehen sie wundervoll aus. Spezielle Blusenschnitte, schicke Schuhe, lange Beine; ich reise auf kilometerlangen Stoffbahnen durch meine Fantasien. Meine Nähmaschine ist mein Flughafen, wenn meine Flugzeuge aus Paris, New York und Shanghai ankommen.
Meine Schmerzen aus der Kindheit verblassen im Ratten der Nähmaschine. Jenes Geräusch dass ich allabendliche hörte, wenn meine Mutter nähte, um Geld zusammenzukratzen, wenn mein Vater nicht nach Hause kam, sich betrunken auf der Straße herumtrieb. Meine Mutter lehrte mich zu nähen, was ich bitter brauchen konnte; sie starb, als ich 25 Jahre alt war. Sie ist auch heute noch in mir, jede Minute, wenn ich nähe. Sie lebt; und wenn das Ballkleid fertig ist, werde ich einen Walzer mit ihr tanzen, voller Sehnsucht.