Kino & Fernsehen
Die Vögel von Alfred Hitchcock
Die Vögel ist ein weiteres Highlight von Hitchcocks Spätwerk. Er gilt als der aufwendigste Film seiner Karriere.
Inszenierung:
Der Film beginnt in Form einer klassischen Screwball-Comedy. Ein charmantes missmatch Paar und zwar der leicht konservative Anwalt und das selbstbewusste Uptown Girl, treffen aufeinander und beginnen fast augenblicklich mit einem einfallsreichen Wortgefecht. Dank eines Wissensvorsprungs gewinnt ER und verlässt triumphreich die Szene. SIE ist nicht bereit sich geschlagen zu geben und folgt ihm, um in die zweite Runde zu gehen und es ihm in charmanter Weise heim zu zahlen.
Der Anschein der Screwball-Comedy wird für die ersten 24 Minuten des Films ungebrochen durchgehalten und dann, unmittelbar vor dem nächsten Aufeinandertreffen der Beiden jäh unterbrochen, durch den plötzlichen und kurzen Angriff einer Möwe auf Melanie.
Dieses Event verändert die Konstellation von Melanie und Mitch, er verarztet sie und dabei kommen sie sich etwas näher.
Die Screwball Inszenierung tritt etwas in den Hintergrund und der Film wird um die Problematik von Mitchs Mutter erweitert. Annie dient dabei als ein Mediator, die sowohl Melanie als auch dem Zuschauer die Situation erklärt.
Hitchcock lässt dem Zuschauer genug Zeit sich auf die neue Situation einzustellen, wobei der einzelne Angriff der Möwe dadurch bereits in den Hintergrund geraten ist, als der zweite Angriff erfolgt. Beim Angriff auf Cathys Geburtstagsparty ist es schon eine Hand voll Möwen und sie belassen es nicht bei einem einzelnen Überflugangriff. Ist ein einzelner Möwenangriff noch ein vernachlässigbares Freak-Ereignis, so wird jetzt klar, dass etwas nicht stimmt. Noch wird aber niemand ernsthaft verletzt.
Nach diesem offensichtlichen Bruch mit dem bisherigen Erzählstil beschleunigt Hitchcock die eigentliche Handlung des Films. Die Invasion der Spatzen kommt bereits wenige Minuten nach dem Angriff der Möwen und kurz darauf entdeckt Lydia die Leiche von Dan Fawcette mit ausgepickten Augen.
Spätestens ab diesem Punkt ist das filmische Thema Screwball endgültig vorbei und auch das Muttermotiv rückt immer mehr in den Hintergrund. Die Figuren verbinden sich zu einer Gruppe um der ungewöhnlichen Bedrohung widerstehen zu können.
Der nächste Angriff der Vögel, diesmal sind es Krähen (...oder Blackbirds), lässt nicht lange auf sich warten. Nach einer bemerkenswerten Suspense-Szene, in der sich dieVögel hinter Melanie auf einem Klettergerüst sammeln, kommt es zur nächsten Attacke. Die Schulkinder werden von einem großen Schwarm schwarzer Vögel angegriffen und gejagt.
Melanie zieht sich in ein Restaurant der Stadt zurück um ihren Vater von den Ereignissen in Kenntnis zu setzen. Dort kommt es zu einer Diskussion über den Angriff der Vögel, den noch nicht alle mitbekommen haben und einige sind nocht nicht bereit es als gegeben hin zu nehmen, das Vögel einfach so angreifen. Eine Ornithologin gehört zu den Zweiflern. Erwartet man, nachdem sie sich in das Gespräch eingeschaltet hat noch eine Erklärung für das Phänomen zu bekommen, so enttäuscht Hitchcock hier das Publikum, in dem er die Hintergründe der Vogelangriffe auch weiterhin im Dunkeln lässt.
Noch während dieser Diskussion erfolgt ein weiterer Angriff, diesmal im Ort selbst und mit einer noch größeren Anzahl von Tieren.
Wie sich kurz nach dem Angrif herausstellt ist Annie dabei ums Leben gekommen, als sie Cathy vor den Vögeln rettete.
Mitch verbarrikadiert das Haus und sichert alle Fenster mit Planken. Von hier aus kommen wir mehr oder minder direkt zum Klimax des Films: dem Angriff der rasenden Vögel auf das Brenner Haus. Die Protagonisten halten durch und überleben die Nacht. Mitch und Melanie werden verletzt, Melanie erleidet einen schweren Schock.
Als Melanie und die Brenners am nächsten Morgen das Haus und den Ort verlassen, sitzen überall unzählige Vögel und beobachten ihr Verschwinden. Der Zuschauer wird im Unklaren gelassen, wie die Geschichte wirklich ausgeht oder warum die Vögel angriffen.
Dies ist ein ungewöhnlicher Zug von Hitchcock. Es ist sein erster Film, der völlig ohne Auflösung bleibt und hat in diesem Punkt mehr mit Horrorfilmen gemein, als mit Hitchcocks üblichen Suspense-Filmen. Über die Interpretation wurde viel gerätselt und wie immer ist Hitchcock selbst keine große Hilfe bei der Auflösung dieser Mysterien.
Absichtlich oder nicht, hat Hitchcock einen der ersten "revenge of nature"-Filme gedreht.
Produktionsbesonderheiten:
Ein weiterer ungewöhnlicher Aspekt des Films ist das völlige Fehlen von Filmmusik im klassischen Sinne, was dem Film eine zusätzliche Düsternis verleiht. Stattdessen bediente man sich eines neu entwickelten elektrischen Musikgerätes, dem Studio-Tratonium. Einem Vorläufer des heutigen Keyboards, mit dem man voraufgezeichnete Geräusche kombinieren konnte. Das ermöglichte aus Vogelgeräuschen eine quasimusische Geräuschinszenierung zu schaffen.
Auf der Bildebene wurden eine Vielzahl von aufwendigen Techniken eingesetzt, alte wie neue. Zur Darstellung der Vogelangriffe verwendte man sowohl echte Vögel, als auch Attrappen. Vor allem wurden aber Natriumlicht-Stanzen verwendet. Ein Verfahren, das zu dieser Zeit außer bei Disney nicht weit verbreitet war, aber deutlich bessere Ergebnisse lieferte als herkömmlicher Bluescreen. Damit filmte man Schauspieler und Vögel unabhängig voneinander und fügte es später zusammen. Es wurde für die Gestaltung des Ortes und der Umgebung sehr stark mit Matte-Painting gearbeitet. Auch ansonsten schreckte Hitchcock vor keiner technischen Möglichkeit zurück, die ihm half die Wirkung des Films zu maximieren.