Sport & Erholung
Dopingmittel
Dopingmittel können immer noch gut versteckt werden
13 Jahre brauchte es, bis es einen halbwegs funktionierenden EPO-Test gab. Aufgrund der permanenten Weiterentwicklungen der Substanz als Dopingmittel bis hin zu den heutigen Biosimilars blieb er unsicher. Im Testfall konnten die Athleten schnell noch ordentlich Wasser trinken, ein paar Reiskörner unter den Urin halten, mit irgendwelchen Farbpulvern hantieren, diese und jene Mikrodosierung gegensteuern, Substanzen wie Rapamycin oder den Inhibitor HCP dazupacken, einen missed Test veranstalten oder sich wer weiß was einfallen lassen. Trotz Hunderter höchst engagierter Laborforscher, trotz vieler Millionen Euro Fördermittel, trotz aller Anstrengungen und der politischen Einsicht, dass mehr Mittel in die Dopinganalytik und die Auffindung von Dopingmittel zu stecken seien, ist eines nicht von der Hand zu weisen: Die Tests bringen so de facto nichts.
Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Anzahl der konventionellen Dopingstoffe komplett unüberschaubar geworden ist, und auch nicht damit, dass es jede Menge Maskierungsstoffe, gänzlich unbekannte Substanzen wie nicht zugelassene Medikamente gibt. Für zahlreiche Stoffe, die derzeit im Elitesport illegal zum Einsatz kommen, existieren schlichtweg noch immer keine gerichtsfesten Tests: Das Wachstumshormon HGH, des Öfteren durch Razzien sichergestellt, lässt sich zwar theoretisch nachweisen, jedoch nur in einem Zeitraum von 24 bis 48 Stunden nach Einnahme.
Es existiert demnach - trotz langjähriger Inaussichtstellung - noch immer kein in der Praxis einsetzbares Testverfahren für Wachstumshormone als Dopingmittel. Selbst mit den ursprünglich klassischen anabolen Steroiden gibt es vermehrt Nachweisschwierigkeiten. So wurde das Designer-Steroid THG erst nachweisbar, als man einem Labor ein Präparat zuspielte. Es fiel bis dahin, da es unbekannt war, komplett durchs Analyseraster. Zu den unsicheren EPO-Nachweisen gehört, dass EPO mit Eigenblut noch immer nicht nachweisbar ist, vor Insulin-, Gendoping- oder synthetischen Hämoglobin-Nachweisen ganz zu schweigen. Legt dieser Zustand den Schluss nahe, dass alles, was im Sport wirkungsvoll ist, nicht kontrolliert wird?
Die risikofreien, in Tests nicht mehr fixierbaren Chemie-Cocktails eines komplett eingestellten Athleten demonstrieren die strukturelle Schieflage in diesem Bereich. Der Athlet alter Schule, der sich im Stillen seine Steroidtablette einpfiff, ist Schnee von gestern. Im Probelauf ist ein mittels Chemie und Technik zusammengeschalteter Körper, bei dem Doping zur Grundausstattung geworden ist. Auf dem Weg dahin ist die komplexe Pharmawelt zu einer Welt für Spezialisten geworden. Nicht umsonst rekrutieren Eliteathleten heute immer häufiger einen Chemiker in ihr Team oder werden - wie die Fahrer des Team Telekom in Freiburg - in supermodernen Spitzenlaboren nachhaltig aufgebaut. Der Unterschied zur Welt des Sports in den siebziger Jahren könnte nicht größer sein und besteht vor allem darin, dass Dopingmittel heute nicht mehr als klassische Übertretung aufgefasst werden können. Doping ist zum System selber geworden: keine Trainingsphase ohne Chemie, im Giftköcher so ziemlich alles, was den Muskel animieren könnte, und die drei großen Dopingären - Steroide, Blutdoping und Gentechnik - simultan in einem einzigen Körper vereint.
Um Millionen von Fans bei Laune zu halten, beschwört der vermeintlich autonome Sport mit routinierter Scheinheiligkeit neueste, immer bessere, ja völlig unhintergehbare Testverfahren. Thomas Bach, Chef des DOSB, meinte Ende 2007 in einem Zeit-Interview: "Bei dem dichten Kontrollnetz in den olympischen Sportarten kommen Sie auf ein bis zwei Prozent positive Proben. Jetzt sagen Sie: Aber die Dunkelziffer! Das ist ein Totschlagargument. Wenn ich jetzt mal großzügig annehme, sie sei fünfmal so hoch, dann haben Sie immer noch 90 Prozent saubere Athleten." Kommt es zu Geständnissen aus den Reihen der Athleten oder besteht ein indizienfester Betrugsverdacht, hält der inner circle des Sports eisern zusammen: „Jeder Pauschalverdacht ist unzulässig!",Rufmord! „Eine ganz feige Aktion!" Dann folgt verlässlich die Rede von den schwarzen Schafen, die es immer schon gegeben haben soll. Wenn auch das nicht verfängt und die Vorkommnisse nicht ohne weiteres wegzureden sind, stellt der Sport sich doof.