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Dossier: Wettsteuer in Deutschland
Hessen will Wettsteuer regulieren (Quelle: huffingtonpost.de)
Auf den immer weiter wachsenden Sportwettenmarkt reagieren die europäischen Staaten zunehmend mit Regulierungen, um die Anbieter kontrollieren zu können. Die Regierungen, unter anderem die deutsche, arbeiten aus zwei Gründen an einem strengeren gesetzlichen Rahmen: Einmal wird so Transparenz für die einheimischen Kunden geschaffen, wo die Richtlinien der meist im Ausland ansässigen Anbieter oft undurchschaubar waren. Der zweite Grund ist ein pures Eigeninteresse des Staates: Mit Glücksspiel lässt sich eine Menge Geld verdienen, und von diesem Kuchen will sich Vater Staat ein ordentliches Stückchen abschneiden.
Bildquelle: Sportwette © cardephotography / Fotolia.com
Bisher sind die Verhältnisse gerade in Deutschland allerdings alles andere als geordnet und übersichtlich. Das soll sich aber ändern. Nachdem der deutsche Staat sein Glücksspiel-Monopol mit der Einführung des neuen Glücksspiel-Staatsvertrages Anfang 2012 aufgegeben hat und seitdem auch private Wettanbieter zulässt, wurde das Bundesland Hessen von den anderen Ländern beauftragt, die Lizenzierung der privaten Anbieter zu organisieren. Hier gab es jedoch einige Unstimmigkeiten, da insgesamt nur 20 Lizenzen vergeben wurden und die übervorteilten Anbieter sofort Klage gegen die Vergabe einlegten. Daraufhin stoppte das Wiesbadener Verwaltungsgericht das Verfahren mittels eines Eilbeschlusses. Hessen verkündete daraufhin, man wolle die Zahl der bisher vorgesehenen Lizenzen deutlich erhöhen.
Ebenfalls 2012 wurde auch gleich die Wettsteuer eingeführt. Fünf Prozent müssen seitdem für jede gespielte Wette an den Staat abgeführt werden. Der Staat lässt den Betreibern rechtlich einiges an Spielraum, auch wenn dies nicht zwangsläufig mit Absicht passiert ist, sondern ein paar rechtliche Dinge einfach übersehen wurden. Die Anbieter gehen unterschiedlich damit um: Einige übernehmen die Steuer komplett selbst. Es gibt allerdings auch Modelle, die zulasten der Kunden gehen. Hier werden die Steuern dann entweder vom Brutto- oder Nettogewinn abgezogen, oder die Gewinnquoten werden direkt heruntergerechnet.
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Die grundsätzliche Bereitschaft vonseiten der Bundesländer, das Vergabe-System der Lizenzen auf dem Wettmarkt zu korrigieren, scheint aber gegeben zu sein. Wichtig ist das für die Kunden, um mehr Transparenz sowie Sicherheit beim Einzahlen der Wetteinsätze zu bekommen. Für die Sportwettenbetreiber könnte die Entwicklung durchaus auch mit negativen Konsequenzen enden: Mehr Steuern, mehr Kontrolle, das heißt aller Voraussicht nach: Weniger Gewinn.
Die Wettsteuer umgehen (Quelle: fussball-wetten.com)
Aufgrund der neuen Wettsteuer stellt sich für viele jetzt die Frage: Kann ich noch irgendwo wetten, ohne die lästigen fünf Prozent draufzahlen zu müssen. Das Problem für die Anbieter ist, dass sie oft nur mit kleinen Gewinnmargen kalkulieren, meist zwischen 5 und 10 Prozent. Deshalb ist es für viele die einzige Möglichkeit, die Wettsteuer den Kunden aufs Auge zu drücken. Es gibt allerdings eine Auswahl an Anbietern, die sich dafür entschieden haben, die Wettsteuer selbst zu bezahlen. Das steigert natürlich die Attraktivität der Anbieter für die Kunden, geht aber natürlich vom Gewinn ab – die Übernahme der Wettsteuer kann in diesem Fall wohl eher als Werbe-Maßnahme angesehen werden.
Die folgenden Anbieter übernehmen die Steuer:
- NetBet
- Betsafe
- Super Lenny
- Tipico
- Bet3000
Bei den Kunden, die Ihre Kunden mit der Wettsteuer belasten, gibt es grundsätzlich zwei Modelle: Entweder die fünfprozentige Wettsteuer wird direkt beim Platzieren der Wette automatisch vom Wetteinsatz abgezogen, oder aber die Steuer wird nur bei gewonnenen Wetten eingetrieben, in diesem Fall also auf den gesamten Gewinnbetrag und nicht nur auf das eingesetzte Geld angewendet. Für den Wettkunden steht bei beiden Modellen unterm Strich aber, auf langfristige Sicht hin, in etwa die gleiche steuerliche Belastung.
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Was die wenigen Wettanbieter angeht, die den Kunden die Steuer ersparen, lässt sich wohl von einer Image-Strategie ausgehen. Durch die Möglichkeit zum steuerfreien Wetten erhöhen die Betreiber ihre eigene Attraktivität beim Kunden natürlich enorm. Die Anbieter hoffen dadurch auf Zugewinne bei den Marktanteilen. Für die Sport-Wetter sollte das aber alles zweitrangig sein. Für sie zählt in dem Fall einzig das Angebot: Wo kann ich steuerfrei wetten?
Telekom will Sportwetten anbieten (Quelle: Welt.de)
Die deutsche Telekom steigt in den Wettbewerb der Glücksspiel-Konzerne ein, und dies, ohne eine deutsche Lizensierung erhalten zu haben. Mit einem Trick will sich der Rundfunkanbieter dennoch in den Markt einschalten, ohne auf die Entscheidungen über die Lizenzierungsverfahren warten zu müssen: Die Telekom hat die Deutsche Sportwetten GmbH zu 64 Prozent aufgekauft. Die DSW ist ein Ableger der Österreichischen Sportwetten GmbH (ÖSW). Die Telekom wird nun also in Deutschland mit einer österreichischen Wettlizenz aktiv. Matthias Schmidt-Pfitzner, der Geschäftsführer Digital-Media bei der Telekom, erklärte, man wolle am lukrativen Sportwetten-Markt in Deutschland teilhaben.
Sportwetten in Deutschland tragen sich oft in einer rechtlichen Grauzone zu. Die Lizenzen sind immer noch ein Durcheinander, viele stammen gar noch aus DDR-Tagen. Rechtlich gibt es aufgrund der innerhalb der EU geltenden Dienstleistungsfreiheit ein Schlupfloch für die Wettanbieter: Viele arbeiten einfach mit Zulassungen aus Malta oder aus Gibraltar, die wesentlich leichter zu erhalten sind, und bieten dennoch Wetten an deutsche Kunden an.
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In Deutschland soll es aber bald auch nationale Lizenzen geben, das Vergabeverfahren funktioniert nur noch nicht wie gewünscht. Dass überhaupt private Wettanbieter in Deutschland ihre Zelte aufschlagen dürfen, liegt nur daran, dass das staatliche Glücksspiel-Monopol, das in Deutschland lange Zeit Geltung besessen hatte, vom Europäischen Gerichtshof angekreidet wurde. Bis dahin war das Anbieten von Sportwetten nämlich dem Lotto-Ableger Oddset vorbehalten gewesen. Abgesehen von Schleswig-Holstein, das einige Konzessionen an regionale Wettanbieter verteilt hat, haben sich auch alle Länder daran gehalten.
Der sogenannte „Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag“, der 2012 unterschrieben wurde, soll die unübersichtliche Situation verbessern. Nach dem Vertrag sollten 20 Lizenzen vergeben werden, viele Große wie Tipico, Bet365 oder Interwetten waren allerdings nicht unter den Auserwählten – und klagten. Da die Klagen immer noch nicht entschieden sind, konnten noch keine Lizenzen vergeben werden.
Die Telekom hat sich nun entschieden, nicht länger warten zu wollen. Da sich andere Anbieter bereits über ausländische Lizenzen auf dem Markt platzieren, sahen sich die Verantwortlichen beim Kommunikationskonzern zum Handeln gezwungen. Es gibt in Deutschland mehr als eine Million Nutzer von Sportwetten, der Umsatz ist im letzten Jahr um ein Fünftel auf 4,5 Milliarden Euro angestiegen, und die Anbieter scharren mit den Hufen, die reife Ernte endlich einfahren zu dürfen.
Städte dürfen Wettbürosteuer erheben (Quelle: wdr.de)
Zusätzlich zur ohnehin zu zahlenden Wettsteuer von fünf Prozent müssen die Inhaber von Wettbüros inzwischen oft Steuern dafür zahlen, ein Wettbüro zu betreiben. Nachdem einige Inhaber solcher Läden zuletzt gegen die Zusatz-Besteuerung geklagt hatten, wurden sie vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen abgewiesen. Das Gericht sah keine rechtlichen Probleme bei der Erhebung der Steuer.
Wegen der Wettbürosteuer muss ein Laden wie der des 47-jährigen Femi Aydin in Herne, der nur in einem kleinen Zimmer einen Wettautomaten stehen hat, im Monat 200 Euro an den Fiskus abdrücken. Diese Summe hat die Stadt Herne als Mindestsatz für kleine Räume bis zu 20 Quadratmeter festgelegt. Der Wettbüroinhaber findet das haltlos, sagt, er zahle doch Steuern. Er meint neben den fünf Prozent Wettsteuer, die bei jeder Wette an den Staat abgedrückt werden müssen, auch die Einkommenssteuer oder die Umsatzsteuer, die auch vom Gewinn abgeht, der bei dem Geschäft mit dem Glücksspiel für ihn abfällt.
Viele Anbieter in Nordrhein-Westfalen sahen das genauso und zogen ebenfalls vor Gericht. Auch prominente Mitglieder des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV) wie etwa Tipico, Cashpoint oder Mybet hatten ihre Finger im Spiel. In erster Instanz mussten sich die Glücksspielunternehmer allerdings geschlagen geben, werden aber jetzt noch vor das Oberverwaltungsgericht ziehen. Die Wettanbieter und deren Anwälte argumentieren mit einer unrechtmäßigen Doppelbesteuerung: „Die Wettbürosteuer knüpft an der Fläche des Wettbüros an“, sagt auch Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler (BdSt), „die Fläche wird aber schon durch die Grundsteuer besteuert.“ Zudem könnte auch die normale Wettsteuer schon eine Dopplung darstellen.
NRWs Innenminister Ralf Jäger hatte bei der Genehmigung der Abgabe seinerzeit auf die hohen Ziele der Landesregierung verwiesen: „Die Wettbürosteuer hilft der Stadt beim Kampf gegen die Spielsucht.“ Man möchte die Zunahme von Wettbüros einschränken und so die Gelegenheiten zum Glücksspiel reduzieren. Kanski leuchtet das nicht ein: Wenn man gegen Spielsucht vorgehen wolle, sollte man die Wettbüros verbieten, anstatt noch Profit daraus zu schlagen.
Niersbachs Ärger über schleppende Lizenzvergabe (Quelle: ran.de)
Einer, den wohl die wenigsten auf der Rechnung hatten, hat sich in die Vergabe der Glücksspiel-Lizenzen eingemischt: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Der Grund für den Ärger des Chefs des größten Fachsport-Verbandes der Welt ist rein finanzieller Natur: Durch die immer weiter verschobene Vergabe der Zulassungen entgehen seinem Verband angeblich um die 1,5 bis 2 Millionen Euro. Der Grund dafür ist, dass man einen Exklusiv-Vertrag mit dem staatlichen Wettanbieter Oddset aushandeln könnte, der für den Anbieter aber erst dann interessant wird, wenn Konkurrenz auf dem Markt ist. Für Niersbach ist „diese absurde Hängepartie sehr ärgerlich und nicht nachvollziehbar.“ Der DFB-Präsident sieht vor allem einen unnötigen Verlust für den Amateurfußball: „Wenn endlich entsprechende Wett-Lizenzen vergeben werden würden, könnten wir sofort einen Marketing-Vertrag mit Oddset abschließen, der dem gesamten Amateurfußball in Deutschland zugutekommen würde.“
Bildquelle: Glücksspiel online © kebox / Fotolia.com
Man spricht hinter dem Kulissen bereits über einen Dreijahresvertrag. Weil das hessische Innenministerium, das für die Vergabe zuständig ist, seit drei Jahren noch keine Lizenz vergeben hat, sorgt sich auch DOSB-Generaldirektor Michael Vesper um die Förderung des Breitensports. „Das ist ein Trauerspiel, ein unerträglicher Zustand“, sagte er.