Kino & Fernsehen
„El Cantante“ (DVD) – Salsa, Ruhm und Heroin
Von Rock ’n’ Roll-Musikern wird der Exzess ja direkt erwartet. Zumindest wundert sich dann keiner. Wie viele Abgründe sich aber gerade hinter schön und harmlos klingender Musik verbergen können, zeigen nicht nur Countrymusik-Filme. Der für jeden Musikfan interessante Film „El Cantante“ (2006) ist die Latino-Version davon und beschreibt das Leben des Salsa-Sängers Hector Lavoe.
Hector Lavoes Leben in Rückblenden
Erzählt wird aus der Sicht seiner Frau Puchi (Jennifer Lopez richtig gut). Dazwischengeschnittene schwarz/weiß gefilmte Aufnahmen zeigen ein mit Jennifer Lopez nachgestelltes, aber an sich authentisches Gespräch mit dieser Frau. Hector Lavoe war Puerto Ricaner, der in New York sein Glück versucht hat und gemeinsam mit vielen anderen Musikern des Fania-Labels mitverantwortlich für die Salsa-Welle der 70er war. In der spanisch-sprachigen Welt hat er eine große Fangemeinde und wird „El Cantante de los Cantantes“ („Der Sänger der Sänger“) genannt. „El Cantante“ ist eine Art Anti-„Walk the Line“. Es gibt, anders als bei Johnny Cash, einfach keine biographische Erlösung. Tragödie folgt auf Tragödie, und es ist kein Happy End in Sicht: Heroin, Eheprobleme, der Unfalltod des Sohnes durch eine Pistole, der Fall von einem Balkon im neunten Stock und dann auch noch die Diagnose AIDS.
Keine Beschönigungen
Die durch seinen Lebensstil immer mehr hervortretenden negativen Seiten Lavoes werden nicht verschwiegen. Vielleicht haben den Film deshalb viele Leute abgelehnt. Die größte Stärke ist die Atmosphäre: New York, die Clubs, die Musik-Szene, das Publikum, der Rausch des Erfolgs. Der Interviewer in den s/w-Szenen provoziert manchmal Puchi, seine Frau, scheint ihr nicht zu trauen, scheint sie nicht zu mögen. Doch sie verteidigt ihre Sicht der Dinge. Dadurch dass sie es ist, die erzählt, bleibt auf jeden Fall manches in der Geschichte ein Rätsel. Auf die Art muss der Film auch nicht vorgeben, er kenne die genaue Wahrheit. Dass der Film voller Musik ist, braucht nicht erwähnt zu werden. Die Lieder sind sorgfältig auf Deutsch untertitelt: Schöne Musik mit oft ganz schön traurigen Texten.
Die Hauptrolle wird großartig gespielt und selbst gesungen von Marc Anthony, dem New Yorker Sänger puerto-ricanischer Herkunft. Zur Zeitpunkt der Entstehung des Films waren Jennifer Lopez und Marc Anthony noch ein Paar, aber das ist ja bekannterweise auch schon Geschichte.
Regisseur Leon Ichasco, der auch das Drehbuch von „El Cantante“ mitgeschrieben hat, hat viel fürs Fernsehen gearbeitet und hat viel Erfahrung in biographischen Filmen. Beschäftigt hat er sich u.a. mit Jimi Hendrix und dem Mörder von Harvey Milk, dem Bürgermeisters von San Francisco. Damit war Ichasco genau der richtige Mann, um sich des Lebens der kontroversen Musik-Ikone Hector Lavoe anzunehmen.