Heidi Dahlsen - Gefühglslooping
Heidi Dahlsen Gefühlslooping
Heidi Dahlsen als liebvolle, aber auch verzweifelte Mutter. In Ihrem Buch Gefühlslooping, schildert sie ihre Erlebnisse mit einem Kind, das an dem Borderlinesyndrom leidet. Jedes Elternteil, dass ein Kind mit diesem Handicap in der Familie hat, weiß was alle durchmachen. Ich selbst habe mal ein Mädchen kennengelernt, das unter dem Borderlinesyndrom lit und das teilweise dem tot näher war als dem Leben. Eine Gratwanderung für alle Beteiligten. Wie hilft man einem Menschen, der ständig an beinah übermenschliche Grenzen geht. Dessen Gefühle Loopings drehen, die man beinahe nicht kontrollieren kann. Ich habe dieses Buch gelesen und mitgefühlt. Ich wollte wissen, was im Kopf eines Borderliner vor sich geht. Das Mädchen, was ich kennenlernte, musste tief in ihrer Seele wühlen, um die Ursache zu finden. Am Ende halfen nur noch Dauertherapie und Dauermedikation. Ich weiß nicht, wie es ihr heute geht – ich hoffe gut. Lesen Sie hier, wie Heidi Dahlsen mit dem Borderlinesyndom ihrer Tochter umging.
Gefühlslooping
Lydia fährt langsamer als es die erlaubte Höchstgeschwindigkeit zulässt. Das ist sonst eigentlich überhaupt nicht ihre Gewohnheit, aber heute hat sie es nicht eilig, ans Ziel zu kommen.
„Worauf habe ich mich nur eingelassen?“, fragt sie sich immer wieder in Gedanken und überlegt krampfhaft, welche der vielen Ausreden, die ihr mit Leichtigkeit zugeflogen sind, wohl am Glaubhaftesten erscheint, damit sie sich doch noch vor der Therapie drücken kann.
„Mein innerer Schweinehund will mich wirklich mit allen Mitteln davon überzeugen, dass ich kneife. Nichts da“, ruft sie sich zur Ordnung. „Lydia! Du ziehst das durch!“
Sie atmet tief ein und hofft, dass sich bald alles zum Guten wenden wird.
Als sie ihr Auto auf dem Parkplatz abstellt und sich umsieht, ist sie erleichtert, denn die Klinik ist in einem modernisierten Gutshaus untergebracht und wirkt von außen eher wie ein Kurhaus. Nur ein kleines Schild neben dem Eingang weist darauf hin, welche Behandlungen im Inneren durchgeführt werden. Sie wundert sich etwas darüber, dass kein einziges Fenster vergittert ist.
Die wildesten Vorstellungen über psychiatrische Einrichtungen hatten ihre Fantasie im Vorfeld scheinbar etwas ausufern lassen. Sie schmunzelt, als sie sich an einen Albtraum erinnert, in dem sie in einer Gummizelle laut schreiend vergebens auf Befreiung wartete. Die Zwangsjacke entwickelte ein Eigenleben und schnürte ihr die Luft ab, sodass sie schweißgebadet und voller Panik erwacht war.
„Scheinbar alles nur halb so schlimm“, denkt sie erleichtert. „Hoffentlich.“
Nachdem der Termin für den Beginn ihrer Therapie in der Psychiatrie feststand, überkamen sie ständig Zweifel, ob die denn wirklich nötig sei. Deshalb ist es ihr nicht leicht gefallen, ihre Koffer zu packen, und sie ist etwas stolz auf sich, weil sie die Anreise durchgehalten hat.
Auch das Aufnahmegespräch mit der Psychologin lief ziemlich harmlos ab. Eigentlich wollte sie sich nur einen ersten Eindruck verschaffen und schnell wieder nach Hause fahren. Da sie aber davon überzeugt war, dass der zweite Anlauf auf keinen Fall einfacher werden würde, fragte sie spontan nach, ob sie bleiben dürfe. Sie wunderte sich selbst über ihren Mut und hoffte im selben Moment, diesen Entschluss nicht bereuen zu müssen. Die Ärztin bot ihr an, vorerst in einem Doppelzimmer einzuziehen. Das wollte Lydia eigentlich auf gar keinen Fall und dachte kurz über die Vor- und Nachteile nach. Sie fühlte sich etwas hin- und hergerissen, denn sie konnte nicht einschätzen, wie `gefährlich´ die andere Frau ist.
Als diese ihr jedoch vorgestellt wurde, zerstreuten sich ihre Zweifel, denn sie machte einen ziemlich normalen und friedlichen Eindruck und stellte sich gleich selbst mit den Worten vor: „Hallo. Ich bin Elfi und muss jetzt zur Therapie. Richte dich erst mal häuslich ein. Wir können uns nachher ausführlich unterhalten.“
Sie verließ den Raum, und Lydia war froh, sich erst einmal in Ruhe umschauen zu können.
„Elfi scheint einen seltsamen Humor zu besitzen“, denkt sie. „Ich will hier auf keinen Fall häuslich werden. Und das ist auch gut so, denn sonst würde ich nicht alles dafür tun, die Therapie schnell zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, und müsste sonst ewig hierbleiben.“
Lydia legt ihre Sachen in den Schrank und stellt ihren Laptop auf den Schreibtisch am Fenster. Hoffnungsvoll schaut sie auf das Display ihres Handys und muss feststellen, dass weder ein Anruf noch eine Notfall-SMS eingegangen ist. Sie ist etwas enttäuscht, weil somit kein Grund für sie vorliegt, umgehend wieder nach Hause zu fahren.
Nachdem sie fertig ausgepackt hat, geht sie nach draußen, um sich die Außenanlagen anzusehen und ist erfreut, als sie einen idyllischen See erblickt, an den sich ein Park anschließt. ... ff.
Es lohnt sich dieses Buch zu lesen.