Kino & Fernsehen
„Irezumi - Spider Tattoo“ (DVD) – Das männerfressende Spinnentattoo
Um ein Tattoo, das von der Person, die es trägt, Besitz ergreift, geht es in dem in der Vergangenheit spielenden japanischen Film "Irezumi" von 1966: Eine junge Frau, die bald verheiratet werden soll, hat eine Affäre mit einem Angestellten ihres Vaters und auf ihr Drängen hin flieht der Geliebte mit ihr. Die Story ist eigentlich klassisches, japanisches Melodrama mit den Liebenden als Opfer. Regisseur Yasuzo Masumura war in den 50ern denn auch Assistent bei Regisseuren wie Altmeister Kenji Mizoguchi, der für solche Filme berühmt ist. Doch auch das japanische Kino war inzwischen modern, expressiver und gewalttätiger geworden und die Story geht anders weiter als aus dem klassischen Kino gewohnt.
Der Inhalt
Die Frau wird entführt und soll als Geisha arbeiten, aber nicht als irgendeine beliebige Geisha. Der Mann, der sie gekauft hat, hat große Pläne, und daher wird sie vorher tätowiert. Hinterher überziehen riesige Spinnenbeine ihren Rücken, und in der Mitte sitzt ein dicker Spinnenkörper mit blutroten Lippen im menschlichen Gesicht. Auf die Art hat er sie zur Menschenfresserin gemacht, denn er will mit ihrer Hilfe Männer finanziell ausnehmen. Das gelingt denn auch noch besser als erwartet. So schreckt sie nicht davor zurück, andere zum Mord anzustiften, und auch ihr eigentlich ganz den traditionellen Werten verschriebener Geliebter, der sie nach der Entführung lange suchen musste, tötet wie verhext, zu seinem eigenen Entsetzen, einen Menschen nach dem anderen.
Der Tätowierer der Geschichte jedenfalls kann nach dem Spinnentattoo nicht mehr arbeiten, als hätte er seine Seele hineingelegt und seine Kreativität verloren. Verstört verfolgt er den Weg der Geisha, und er ist es auch, der die Geschichte beendet.
Ein japanischer Rachefilm
Im Grunde geht es hier um eine Frau in einer besonders die Frauen unterdrückenden Gesellschaft, die sich die individuelle Freiheit nimmt, sich die brutalen Methoden der Männer anzueignen. Zunächst will sie sich nur an ihnen rächen. Dann verselbständigt sich alles, wodurch auch die ursprünglich aufrichtige Liebe zu dem Mann, mit dem sie einst romantisch im Schnee geflohen ist, auf der Strecke bleibt. Der Film ist eine Mischung aus andeutendem Erotikfilm, brutalem Rachefilm und - durch das unheimliche Tattoo - Gruselfilm. Gleichzeitig ist er durch sein langsames Tempo und die sorgfältig stilisierte Atmosphäre so viel Kunstfilm, wie man es sich innerhalb des japanischen Mainstreamfilms Mitte der 60er erlauben durfte.
Bei dem Film handelt es sich übrigens um eine Literaturverfilmung. Die Vorlag lieferte Junichito Tanizaki: Die Geschichte befindet sich in dem englischen Buch „Seven Japanese Tales“.
Die bei Rapid Eye Movies erschienene DVD enthält die Originalversion mit deutschen Untertiteln.