Kampf gegen Jugendgewalt: Wundermittel Warnschussarrest?
Kampf gegen Jugendgewalt: Wundermittel Warnschussarrest?
Walter Plinge

Erziehung & Kinder

Kampf gegen Jugendgewalt: Wundermittel Warnschussarrest?

Immer wieder berichtete die Presse in den vergangenen Monaten und Jahren über schwere Gewaltverbrechen von Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre). Müssen neue Konzepte zur Kontrolle von Jugendkriminalität her? Seit längerem steht die Forderung nach der Einführung des sogenannten Warnschussarrestes im Raum. Fachleute beurteilen den möglichen Nutzen des „Warnschussarrestes“ höchst unterschiedlich. Vor allem in der medialen Berichterstattung zeigen sich unterschiedliche Sichtweisen in Wissenschaft und Praxis.

„Warnschussarrest“ – Worum geht es?

Manche Jugendliche und Heranwachsende, die zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt werden, empfinden ein solches Urteil wie einen Freispruch. Denn hinter Gitter müssen sie bei einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe vorerst nicht. Stattdessen müssen sie in der Bewährungszeit Weisungen oder Auflagen erfüllen, die das Gericht ihnen auferlegt. Ein guter Deal in den Augen mancher Täter.

Abhilfe soll der „Warnschussarrest“ schaffen. Der verurteilte Jugendliche oder Heranwachsende soll zusätzlich zur Bewährungsstrafe ggf. einen bis zu vierwöchigen Jugendarrest („Schnupperknast“) verbüßen müssen. Wichtig ist: Dem Gesetz nach ist Jugendarrest keine Haftstrafe, sondern eine erzieherische Maßnahme, deren Vollzug sich deutlich vom Strafvollzug unterscheidet. Doch die Realität in deutschen Jugendarrestanstalten sieht häufig anders aus.

Die Kombination von Jugendstrafe und Jugendarrest ist nach aktueller Gesetzeslage nicht möglich. Jugendstrafe und Jugendarrest sind beides sogenannte stationäre, also freiheitsentziehende Maßnahmen. Denn auch eine Bewährung kann widerrufen werden, wenn der Verurteilte sich nicht bewährt. Stationäre Maßnahmen nebeneinander zu verhängen, ist nach dem auf Erziehung ausgerichtete Jugendgerichtsgesetz (JGG) nicht zulässig. Sind die derzeitigen Maßnahmen ausreichend oder braucht es einen „Warnschussarrest“?

Fachleute über Nutzen des „Warnschussarrests“ uneins

Die Kritiker des „Warnschussarrests“ befürtworten die Beibehaltung der derzeit geltenden Regelungen des JGG und sehen keine Notwendigkeit für die Einführung des „Warnschussarrests“. Es sei pädagogisch inkonsequent, dem Verurteilten zunächst eine Zeit der Bewährung zuzubilligen und ihn trotzdem in den Jugendarrest zu schicken. Zudem entstünde das Problem, dass der Verurteile im Falle eines Bewährungswiderrufs doppelt sanktioniert würde: Jugendarrest und Jugendstrafe. Gegen den „Warnschussarrest“ sprächen auch die Rückfallquoten, so die Kritiker. Im Jugendarrestvollzug sei die kriminelle Ansteckungsgefahr besonders hoch. Nach der neuesten Rückfallstudie aus dem Jahr 2010 begingen weit über 60 Prozent derjenigen Jugendlichen und Heranwachsenden, die zu einem Jugendarrest verurteilt wurden, anschließend erneut Straftaten.

Die Befürworter des „Warnschussarrests“ halten dagegen. Viele jugendliche und heranwachsende Gewalttäter würden sich von einer Bewährungsstrafe und Weisungen oder Auflagen nicht beeindrucken lassen – und rechtlich ist es nicht immer möglich, jugendliche oder heranwachsende Täter mit einer Jugendstrafe ohne Bewährung direkt in den Jugendstrafvollzug zu schicken. Es sei im Einzelfall pädagogisch dringend geboten, dem Täter mit dem „Warnschussarrest“ vor Augen zu führen, was ihn im Strafvollzug erwartet. Das Verbot des JGG, stationäre Maßnahmen nebeneinander anzuordnen, sei rein akademisch und gehe an der Praxis vorbei. Ohnehin sei die Verhängung eines „Warnschussarrests“ abhängig vom Einzelfall und nur eine mögliche, aber nicht zwingende Maßnahme. Außerdem sei die Rückfallquote bei der Jugendstrafe mit Bewährung fast genauso hoch. Es sei aber ohnehin problematisch, zu Bewährungsstrafen und zu Jugendarrest Verurteilte miteinander zu vergleichen. Es handele sich um zwei unterschiedliche Tätergruppen.

Erfahren Sie mehr über Jugendgewalt in Deutschland im Kommentar „Jugendgewalt in Deutschland: Immer häufiger, immer brutaler?“.

 

Hinweis

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Informationen. Er kann einen fachlichen Rat – insbesondere durch einen Rechtsanwalt – nicht ersetzen. Sollte der Artikel unvollständige oder falsche Informationen enthalten, lassen sich aus diesem Umstand keine rechtlichen Ansprüche geltend machen.