Reisen
Meine literarische Kneipkur-Reise
Meine literarische Kneipkur-Reise
Wieder einmal unternahmen ein paar Jenaer Autoren eine Lesereise, irgendwo hinter Krochach lag unser Ziel ein Dorf, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern konnte. Dort ging es sehr lustig zu.
Endlich erreichten wir doch noch, nach langer Fahrt, unser Ziel im Frankenland. Vor uns schlängelte schon eine lange Lesekarawane einen Feldweg aufwärts. Die ersten hatten schon den Waldrand erreicht. Auf einer Wiese mit vielen weißen Margeriten und blauen Glockenblumen, unter einer urwüchsigen mächtigen Eiche, begann die erste Lesestation. Ich setzte mich ins Gras halb träumend, halb lauschend, genoss ich die geistige, lyrische Nahrung der Vorlesenden. End- und Hauptstation war eine Parkwiese mit vielen langen Bank- und Tischreihen, am Rande eines idyllischen Baches mit glasklaren Wasser und Forellen. Die Sonne strahlte, dazu gab es Premiere – Freibier und Weißwürste.
Ich saß neben der Kulturreferentin Frau Kurz und ihren Mann, der gerade seine Schuhe, etwa Größe 45 auszog. Auch ich entblößte meine Füße. Als ich anfing, von den Ossis und Wessis und dass viele Ossis schlimmer als Wessi, sozusagen Beserwissis, Knetewessis geworden sind, begann die übliche Frotzelei
Frau Kurz gab kurz und bündig zum Besten:“ Ich kenne keine Wessis, auch keine Ossis, aber Ost- und Westgoten!“
Auch der Begrüssungsredner fasste sich kurz. Er redete von vielen Naturschönheiten, Ausflugszielen, historischen Besonderheiten und sogar über die einheimischen Orchideen.
Schließlich entpuppte er sich als vielfacher Ortsbürgermeister. Weil an unserem Tisch am meisten gelacht wurde, setzte er sich zu uns. Nun lud er mich sogar zu einer Kneipkur ein. Ich hielt meine Bierflasche hoch und rief:“ Prost! Ich mache ja schon eine innerliche Kneipkur!“
Schon kneipte ich mit dem Bürgermeister längst durch den Bach. Das Wasser war tiefgekühlt, wie aus einem Eisschrank. Ich staunte, der ganze Bachgrund war mit kleinen, weißen Kieselsteinen eingebettet. Zum ersten Mal, lernte ich einen bürgernahen Politiker kennen. Ich glaubte schon, die gibt es nur auf Wahlplakaten.
Von der Kneipkur zurück am Tisch, warteten schon alle ungeduldig auf mich dem nächsten Vorleser. Wie ich so dastand, barfuss mit entblößten Oberkörper, fotografierten mich die Redakteure. In so einem Aufzug hatte ich noch nie gelesen.
Als ich mich vorstellte, begann ich damit: dass ausgerechnet mich den kleinen Dichterling, der größte Verleger der DDR laufend verlegt hatte, sogar Manuskripte, die ich an andere Verlage schickte, ließ er bei der Post rauben, um mich zu verlegen. So begehrt waren in der DDR meine Manuskripte. Kein Verlag der Welt konnte sich das leisten. Tagtäglich verlegten die mich in viele dicke Akten- Bücher. Für mich selber kaum vorstellbar, wie berühmt, nein, berüchtigt ich war. Eine ganze Herde von Zerreisswölfen jagte hinter mir her, hinter jedem Brief, Gedicht und Liebesbrief, besonders aber Manuskripten aufzuspüren, um sie zu zerreißen. Zum Glück hatte mein Verleger oft meine Werke so gut verlegt, dass diese nicht mehr auffindbar waren.
Ich erinnerte mich noch, ein Sonnenberger Dichter brüllte: „Abknallen! Abknallen hätten wir sie alle müssen!“
Etwas später wusste ich nicht mehr, wie lange ich mit meiner literarischen Kneipkur meine erhitzte Stimme mit Hopfenblütentee abgekühlt hatte. Als ich dann zur nächsten Leserunde Aphorismen vorlas, stutzte ich: Nanu, nicht ein einziger Zuhörer saß mehr da. Sind die etwa vor meiner bissigen Satire ausgerissen? Ich huckte meinen Rucksack über. Mit einer Flasche in der einen Hand, in der anderen meine Aphorismen, jagte ich zackig im Zickzack den anderen hinterher. Gibt es etwas Schöneres, als so eine LITERATEN- TOUR im Frankenland. Selbst die lustigen Himmelsfahrtspartien unserer sozialistischen Brigade, waren nicht zu vergleichen mit so einer literarischen Kneipkur.