Erziehung & Kinder
Meine tropische Orchideen-Wohnung
tropische Orchideenwohnung
Kaum hatte ich meine soeben gekaufte „Die neue große Garten Enzyklopädie“ ausgepackt und begann in diesen Riesenwälzer, mindestens fünf Kilogramm schwer, herumzublättern, wie konnte es auch anders kommen, klingelte es. Wer stand vor der Tür, natürlich Schlaumeyer.
Nach dem letzten Schlaumeyerstreit, hatten wir uns wieder ausgesöhnt. Hoffentlich will er heute nicht wieder bei mir seine schlauen Gedanken abladen, dachte ich. So schnell konnte ich das Riesenbuch gar nicht wegräumen, denn schon stürzte sich Schlaumeyer darauf, wie ein Adler auf seine Beute.
In einer Minute, vielleicht auch drei Sekunden weniger, überflog er die Seiten mit vielen farbigen Fotos, schon fuchtelte er mit seinen Händen los und fauchte mich an:“ Du Schlaumeyer, was willst du denn mit diesen Schlaumeyergartenbuch anfangen? Dir einen botanischen Garten bauen. Willst du deine Obstbäume alle abholzen und Bananen und Kokospalmen anpflanzen? Das sind ja lauer tropische Pflanzen darinnen, Klimazone 8, 9, 10!
Gewiss hatte Schlaumeyer recht, für die meisten Pflanzen ist hier das Klima zu kalt. Wie immer zog er über mich her, als wäre ich der Herausgeber.
„Weißt du, da sind auch viele interessante Orchideen beschrieben!“ versuchte ich
einzulenken.
„Du und deine Orchideen, deine ganzen Fenster sind schon voller Scheiß-Orchideen, da kann man ja nicht mal mehr die Leute auf der Strasse erkennen oder willst du etwa Bananenbäume in deine Wohnung pflanzen?“ drangsalierte er mich.
„Nächst Woche kommt der Glaser, da wird der Balkon verglast, dort kommen dann alle Orchideen hin, auf großen abgestorbenen Ästen als Epiphytenbäume. Der Fußbodenleger ist auch schon bestellt, die legen einen speziellen nicht wasserdurchlässige Betonasphalt. Und die Landschaftsgestaltung Tropical liefert 10 Kubikmeter Erde. Dann kommt noch die Lüftungsfirma und baut Ventilatoren ein. So eine naturnahe Wohnung gibt es in ganz Thüringen nicht!“ seifte ich auch mal so richtig den Schlaumeyer ein.
Nicht ein einziger schlauer Gedanke fiel mehr Schlaumeyer ein, er musste erst mal meine neuen, revolutionären Wohnideen verdauen.
Doch plötzlich fiel ihm doch noch ein, was er eigentlich von mir wollte:“ Weißt du ich habe ein Anliegen an dich, du kennst doch Nensi meine neue Freundin, die hat morgen Geburtstag, der hätte ich gerne eine Orchideenblüte geschenkt, kannst da mir helfen?“
An was für eine hast du denn gedacht?
„An diese Blaue dort!“ suchte er sich die Allerschönste und teuerste aus, eine Rispe mit neun großen blauen Blüten. Das war meine Lieblingsblume, eine Vanda, die ich erst kürzlich erstanden hatte. Schweren Herzens schnitt ich die Blütenrispe ab.
„Da wird sich aber meine liebe Nensi freuen, da kann ich wieder bei ihr Pluspunkte sammeln!“ bemerkte Schlaumeyer.
Auf einmal, ohne Aufwiedersehen und ohne Dankeschön, hatte er es sehr eilig.
Ich konnte ihm gerade noch hinter herrufen: „Natürlich wird sich deine liebe Nensi sehr freuen, über meine Scheißorchideen!“