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Die Depression nimmt (k)ein Ende.

Melancholia von Lars von Trier (Rezension und Interpretation)

Melancholia – Schon der Name des Kinofilms vom umstrittenen Regisseur Lars von Trier verspricht wieder ein Meer aus Depressionen. Und so ist es auch. Die Protagonistin Justine (gespielt von Kirsten Dunst) ist stark depressiv. Anfangs ist das dem Zuschauer noch nicht bewusst. Je weiter das Werk jedoch voranschreitet, desto klarer wird die auswegslose Perspektive der Justine.

Depression und die kleine Schwester dieser – die Melancholie – werden in eindrucksvollen Bildern, gepaart mit musikalischen Ausschnitten aus Wagners Oper "Tristan und Isolde" abgebildet. Nach dem Film wird wohl niemand aus dem Publikum ohne eigene Interpretation den Kinosaal verlassen (haben).

Der Ort für das Geschehen ist ein riesiges Gutshaus in der Peripherie. In ihm soll die Hochzeitsfeier zwischen Justine und ihrem Angetrauten Michael (Michael Skarsgård) stattfinden. Das tut sie auch – nur dass die Braut im Geiste nicht richtig anwesend ist. Auch körperlich ist sie oft abwesend. Denn sie ist von tiefen Depressionen geplagt und kann sich nicht mit der Vorstellung anfreunden, nun einen Ehemann zu haben. Sie wird sogar von ihrem Arbeitgeber auf der Feier befördert – aber auch das kann sie nicht fröhlich stimmen. Fröhlichkeit ist ein Zustand, den Justine nicht kennt.

Im Laufe des Filmes Melancholia – nach der verpatzten Hochzeit – stürzt Justine in ein Tief. Kirsten Dunst spielt diese Rolle atemberaubend gut. Der Zuschauer wird schon fast überfordert mit dem "Nichts-mehr-Können", denn die Krankheit Depression ist realitätsgetreu dargestellt. Justine kann nicht mehr alleine aufstehen, nicht mehr in die Badewanne steigen, nicht mehr reden. Ihre Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) kümmert sich deshalb um sie – mehr oder weniger gut. Obwohl sich in mehreren Gesprächen herausstellt, dass Claire um die Krankheit weiß, ist ihre Kommunikationsstrategie nicht abweichend von Gesprächen mit den anderen Personen. Claire erkennt die Depression an, hat aber keine Lösung dafür. Letztendlich versucht sie, Justine wieder aufzupäppeln, als wäre sie nur ein trauriges Kind. Vielleicht ist Claire aber auch nicht in der Lage dazu, denn sie wird selbst als ziemlich labile Person dargestellt, die sich ihrem Ehemann gegenüber teilweise wie ein kleines Kind verhält.

Melancholia ist ein Planet, der sich hinter der Sonne versteckt gehalten hat und nun auf die Erde zurast. Medien berichten größtenteils, dass der Himmelskörper knapp an der Erde vorbeirasen wird. Jedoch kommt es anders. Je näher der Planet an der Erde ist, desto mehr fühlt sich Justine von ihm angezogen – sogar sexuell. Depression und Sex ist in Lars von Triers Filmen jedoch schon immer eine gute Kombination gewesen.


Der wunderschöne Planet Melancholia und die ebenfalls wunderschöne Justine sind auf einer Wellenlänge. Beide wollen der Liebe, dem Schmerz, der Trauer, den Menschen – dem Leben – ein Ende setzen. Justine hat keine Angst vor dem Weltuntergang, denn er bedeutet für sie Befreiung. Am Ende des Meisterwerkes bleibt Vielen im Kinosaal die Luft weg – schöner wurde die Apokalypse nie gezeigt. Ich kann den Film "Melancholia" vorbehaltlos empfehlen.

Meine Interpretation von Melancholia

Die Naturgewalten stehen über Allem. Ein Gott existiert nicht, eine Rettung für die Menschheit existiert nicht. Will uns Lars von Trier das mitteilen? Oder wollte er uns nur ein weiteres Mal aufzeigen, was es heißt, depressiv zu sein? Ich kann nicht sagen, ob Justine den Kampf gegen die Depressionen gewonnen oder verloren hat. Sie gab auf der Hochzeit alles auf, was sie sich hart erarbeitet hat – Ihre Liebe und ihren Arbeitsplatz. Sie wurde sogar befördert und schmiss hin. Ob dies durch den (physikalischen) Einfluss des Planeten "Melancholia" geschah oder der Planet insgesamt einfach nur ein Synonym für die dunkle Seite des Lebens ist, bleibt ungewiss.

In gewisser Weise hat sie sich vom Übel befreit. Ein Arbeitsplatz in einer verantwortlichen Position und ein Ehemann, der die Pläne für das gemeinsame Leben schmiedet und immer da ist, schränken das Leben erheblich ein. Justine will sich nicht einengen lassen. Die Freiheit ist das oberste Ziel. Vielleicht ist die absolute Freiheit der Zustand des Nichts (und Allem) – zurück in den Urzustand, zurück zur Natur, wieder Sternenstaub sein. Deshalb hat der Planet so eine hohe Anziehungskraft. Er ist unbändige Natur und steht damit über Allem, über der Menschheit, die glaubt, die Krone der Schöpfung zu sein und nur Unheil anrichtet. Justine ist fest davon überzeugt, dass alles Leben im gesamten Universum mit "Melancholia" ausgelöscht wird, denn sie hält die Menschheit für das einzige Leben im All. Und sie genießt die Vorstellung.

Durch den Film könnte man die Vorstellung gewinnen, der Depression ist nichts entgegen zu setzen; dass man nicht gewinnen kann gegen den Weltenschmerz. Damit bin ich nicht einverstanden. Aber so ist es zumindest für Lars von Trier ein Happy End...