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Weniger Operationen durch bessere Diagnostik

Muss bei einer Blinddarmentzündung immer operiert werden?

Bei einer Blinddarmentzündung sind zwei Grundregeln zu beachten: Eine notwendige und aufgeschobene Operation führt häufig zu einem Blinddarmdurchbruch und verursacht somit Lebensgefahr. Und nicht jede leichte Blinddarmentzündung muss mit einer Operation behandelt werden.

Die Blinddarmentzündung ist eigentlich eine Entzündung des Wurmfortsatzes
Bei der nicht nur in der Umgangssprache, sondern auch von Ärzten im Gespräch mit Patienten üblicherweise als Blinddarmentzündung bezeichneten Erkrankung handelt es sich nicht um eine Entzündung des gesamten Blinddarms, sondern um einen entzündeten Wurmfortsatz. Der Fachausdruck lautet Appendizitis.

Verbesserte Diagnoseverfahren verringern die Anzahl der Blinddarmoperationen
In meiner Kindheit war es fast üblicher, als Teenager keinen Blinddarm mehr zu besitzen als nicht am Blinddarm operiert worden zu sein. Auch mir wollten Ärzte im Grundschulalter meinen Blinddarm entfernen und nahmen davon Abstand, als ich mich im Krankenhaus sichtbar unwohl fühlte. Glücklicherweise habe ich damals richtig reagiert, während ich eine durchaus notwendige Entfernung meiner Nasenpolypen trotz der damit verbundenen drei Krankenhaustage geduldig ertragen hatte. In den 1960er Jahren und auch noch den darauf folgenden Jahrzehnten galt eine Blinddarmoperation als sinnvolle Therapie bei wiederholten Bauchschmerzen. Diese können aber auch ganz andere Ursachen wie Morbus Crohn, eine Verstopfung oder einfach eine zu große Nahrungsaufnahme haben. Auch psychische Belastungen schlagen keineswegs nur sprichwörtlich, sondern auf vollkommen real auf den Magen. Zusätzliche Symptome wie Appetitlosigkeit,m Fieber und Erbrechen wurden schon immer als Indizien für eine Appendizitis angesehen, während vor vierzig Jahren noch nicht einmal der Entzündungswert im Blut zwingend vor der Blinddarmoperation ermittelt wurde. Ein erhöhter Enzündungswert muss nicht auf eine Appendizitis hinweisen, ohne einen treten Blinddarmentzündungen aber nicht auf. Die größte Sicherheit bei der Diagnose der Blinddarmentzündung bietet die Ultraschalluntersuchung. Hundertprozentig ausschließen lässt sich eine versehentlich falsche Diagnose weiterhin nicht, denn die absolute Sicherheit über eine bestehende Appendizitis bietet weiterhin nur die Untersuchung des bei der Operation entfernten Gewebes. Diese erfolgt in jedem Fall, denn jede unnötig durchgeführte und auf ihre Fehlerquellen hinterfragte Blinddarmoperation trägt zu einer Verringerung der Zahl künftiger Fehldiagnosen bei. Leichte Entzündungen des Wurmfortsatzes können auch ohne Operation durch vorübergehenden Nahrungsverzicht und Bettruhe ausheilen. Zur Vermeidung eines gefährlichen Blinddarmdurchbruchs ist dann jedoch eine ärztliche Überwachung sinnvoll.

Wer ist gefährdet?
Die mit Abstand meisten Menschen erkranken an einer Appendizitis im Alter von fünf bis dreißig Jahren. Wer dreißig Jahre alt wird und noch nicht am Blinddarm operiert wurde, wird diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit bis an das Lebensende behalten können. Die hohe Wahrscheinlichkeit schließt eine eventuell später notwendig werdenden Blinddarmoperation nicht völlig aus, denn immerhin vier Prozent aller Operierten sind einunddreißig oder mehr Jahre alt.

Vorsorgliche Blinddarmoperationen?
Dass sich Seeleute den Blinddarm vorsorglich entfernen lassen, da sie an Bord ihrer Schiffe bei eventuell auftretenden Blinddarmbeschwerden keine ausreichende ärztliche Behandlung finden, trifft zu. Heute ist die vorsorgliche Blinddarmentfernung dank verbesserter medizinischer Behandlung an Bord und der schnellen Verfügbarkeit von Rettungsdiensten in Notfällen jedoch nicht mehr erforderlich. Gemäß der jüdischen Halacha sind nicht durch eine konkrete Krankheit verursachte Operationen nicht zulässig, da sie eine nicht erlaubte Körperverletzung darstellen. Eine medizinisch notwendige Blinddarmoperation muss gemäß der Halacha selbstverständlich zwingend erfolgen, da sie dem Gesundheitsschutz und oft auch der Lebensrettung dient.