Vom 3. Oktober 1990 zum dritten Oktober 2012
Persönliche Gedanken zum Tag der Deutschen Einheit
Bald ist der heutige Tag der Deutschen Einheit zu Ende. Ich habe ihn erstmals in Templin in Brandenburg verbracht, wo ich letzten Herbst hingezogen bin. Vorher wohnte ich in Münster in Westfalen, nachdem ich in Schwalmtal bei Mönchengladbach geboren wurde und Mönchengladbach, Eckernförde, Flensburg, Glücksburg, Kronshagen und Kiel weitere Wohnorte für mich waren.
Besuche in der DDR vor dem Mauerfall
Vor der Maueröffnung war ich zweimal in der damaligen DDR, einmal besuchte ich eine damalige Brieffreundin in Bötzow bei Hennigsdorf und einmal war während eines Aufenthaltes im westlichen Teil Berlins für einen Nachmittag in den östlichen Teil der damals ebenfalls geteilten Stadt gefahren. Das Brandenburger Tor sah ich erstmals von der Ostseite aus, denn mein erster Aufenthalt in West-Berlin folgte erst nach meinem Besuch in der DDR. Die Trennung Deutschlands und das fehlende Recht zum Verlassen des Ostteils für DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürger war am Brandenburger Tor besonders stark spürbar, denn ein Tor dient eigentlich dem Durchgang – auch wenn dieser historisch korrekt gesehen bei einem alten Stadtmauertor (das Brandenburger Tor verband ehemals die später vereinigten Städte Berlin und Cölln) tatsächlich kontrolliert erfolgte.
Ohne Wiedervereinigung hätte ich meine Partnerin nicht kennen gelernt
Ohne die deutsche Wiedervereinigung hätte ich meine Schatzallerliebste vermutlich nicht kennen gelernt. Dank der deutschen Neuvereinigung lernten wir einander zunächst über das Internet und später persönlich kennen und jetzt sitze ich neben ihr, während ich meinen persönlichen Vereinigungsbericht schreibe. Ich bin Mitte Oktober 2011 nach Templin umgezogen – das waren einundzwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung. Trotz des langen Zeitraumes seit der Neuvereinigung ist ein Umzug aus Nordrhein-Westfalen in die Uckermark offenbar ein seltenes Ereignis. Zumindest zeigten sich sowohl die Sachbearbeiterin im Einwohner(innen)meldeamt als auch meine Augenärztin und meine neue Hausärztin überrascht, dass jemand aus Münstern nach Templin zog.
Kaum ostdeutsche Produkte im Geschäft erhältlich
Traditionelle Marken der DDR konnten sich nach der Wiedervereinigung nur schwer durchsetzen und auch heute finden sich in Supermärkten mehr in der ehemaligen BRD produzierte als regionale Waren. Es gibt wenige Ausnahmen wie Rotkäppchen-Sekt und Radeberger Bier oder Köstritzer Schwarzbier, selbst die leckeren Halloren-Kugeln gibt es bei Discountern auch in Brandenburg nicht. Im Westen blühen auch heute noch Ost-Shops als Nischenmarkt. Die Brandenburger (und auch die Mecklenburg-Vorpommersche) Verkehrspolitik macht die Fehler, welche westliche Flächenländer wie Schleswig-Holstein inzwischen korrigieren und legt weiterhin Bahnstrecken still; zudem verkehrt auf vielen Brandenburger Busverbindungen die letzte Fahrt bereits um 17.00 Uhr oder um 17.30 Uhr. Glücklicherweise verkehrt der Zug nach Berlin regelmäßig, so dass ich zur Synagoge komme, auch wenn ich diese entfernungsabhängig nicht so häufig wie in Münster besuchen kann.
Verklärung und verschlimmernde Darstellung der DDR - zwei unglückliche Tendenzen
Hinsichtlich der Beurteilung des Lebens in der DDR gibt es die Tendenz zur Verklärung ebenso wie die zur verschlimmerten Darstellung der Ereignisse. Beides ist falsch. Die DDR war keine Demokratie und sie hat Menschen entgegen internationaler Konventionen am auch nur zeitweisen Verlassen des Landes gehindert. Zudem gab es statt Meinungsfreiheit staatliche Bespitzelung. Das Lebensmittelangebot in der DDR hatte wenig Abwechslung geboten, aber es gab keine Lebensmittelknappheit im Sinne der Welthungerhilfe. Eine solche liegt vor, wenn entweder nicht genug Lebensmittel für die Sättigung der Bevölkerung vorhanden sind oder die angebotenen Nahrungsmittel die notwendige Vitaminversorgung nicht sicherstellen können. Egal, wen ich frage, war das in der ehemaligen DDR nicht der Fall. Dass die geringe Abwechslung im Speiseplan durch die auf Grund der Devisenknappheit erfolgte Beschränkung des Speiseangebotes auf weitgehend einheimisches Gemüse und das fast völlige Fehlen von Südfrüchten vollkommen zu Recht als Mangel empfunden wurde, steht natürlich ebenso außer Frage wie das Vorhandensein von zur Sättigung der Bevölkerung und der Besucher ausreichenden Menge an Nahrungsmitteln. Gelegentlich zu findende Szenarien von hungernden DDR-Bürgern sind ebenso eine Geschichtsverfälschung wie das Vergessen der Tatsache, dass die DDR ein nicht demokratischer Staat war.
Der Weg von der Vereinigung zur Einheit ist noch nicht vollständig absolviert
Eigentlich ist der Tag der Deutschen Einheit weiterhin eher ein Tag der Deutschen Vereinigung, denn zu einer echten Einheit gehört ein vergleichbares Lohnniveau. Sicher gibt es auch Unterschiede im Lohngefälle zwischen Kiel und München oder zwischen Frankfurt und Neu-Isenburg, diese Unterschiede sind aber nicht aus historischen Gründen entstanden, sondern wegen der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten notwendig. Die Renten unterscheiden sich weiterhin nur zwischen Westen und Osten, dieser Unterschied gehört angesichts eines insgesamt niedrigen Rentenniveaus unbedingt aufgehoben. Zudem gehören zur echten Einheit ungefähr ausgeglichene Wanderbewegungen und das bundesweit vergleichbare Angebot von Produkten aus allen Regionen in Geschäften (wobei der bevorzugte Kauf regionaler Produkte aus Mitweltgesichtspunkten sinnvoll ist, da dieser unnötige Transporte vermeidet). Ich freue mich über die Wiedervereinigung, da sie mir das Finden meiner geliebten Partnerin ermöglichte. Die Einheit ist aber noch kein erreichter Zustand, sondern weiterhin ein Prozess, welchjener am Vereinigungstag begann.