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„Selbstporträt mit Schusswaffe“: Wie gut ist dieses Buch?

„Selbstporträt mit Schusswaffe“: Wie gut ist dieses Buch?
„Selbstporträt mit Schusswaffe“: Wie gut ist dieses Buch?

Das Buch „Selbstporträt mit Schusswaffe“ von Thomas Fritz rangiert unter der Kategorie „Roman“. Es ist allerdings alles andere als ein solcher...

Um es vorweg klar zu stellen: Dies wird keine klassische Rezension unter strengster Einhaltung der reinen, journalistischen Lehre. Eher schon ein Erfahrungsbericht, denn das Buch „Selbstporträt mit Schusswaffe“ flatterte mir eines Tages als Geschenk ins Haus. Der Verfasser, Thomas Fritz, geboren 1955 in Halle, ist Roman- und Hörspielautor. Er lebt in Leipzig.
„Selbstporträt mit Schusswaffe“ erschien 2012 im Merlin Verlag. Der Bildungsweg und die berufliche Laufbahn (Verlagswesen, Rundfunk sowie Theater) des Autors scheinen zahlreiche Parallelen zu den Figuren dieses Werks aufzuweisen. Eine gute Wahl also, glaubte ich nach der Lektüre des Klappentextes. Immerhin deutete jener einen spannenden, durchaus aktuellen Handlungsstrang an. Der Bezug zur neueren, deutschen Geschichte machte Lust, sofort mit dem Lesen zu beginnen.
 

Die Handlung

Der glücklose Schreiberling Peter Kilian erleidet einen tödlichen Treppensturz. Sein Freund Achim Schlesinger kann an keinen Unfall glauben, denn Peter Kilian kommt an der ehemaligen Innerdeutschen Grenze zu Tode, genau dort, wo beide früher ihren Wehrdienst absolvierten. Schlesinger macht sich auf die Spurensuche und kontaktiert Menschen aus dem Umfeld des Toten: Frauen, Freunde, Kollegen. Natürlich besucht Schlesinger auch den Ort des Geschehens und muss sich dabei ganz eigenen Erinnerungen stellen. Vorgeblich tut er dies alles, um auftragsgemäß aus den schriftlichen Hinterlassenschaften Kilians ein Buch zu kreieren.
Tatsächlich jedoch stürzt Schlesinger sich und alle anderen Beteiligten in Erinnerungen, die jeweils genüsslich, nostalgisch oder schmerzhaft sein können. Nach und nach schält sich so auch ein Teil der wahren Todesumstände des Opfers heraus. Was nach einem spannenden Handlungsaufbau klingt, wird leider immer wieder zerpflückt durch langatmige, philosophische Betrachtungen und metaphergeschwängerte Geschichten.
 

Warum „Selbstporträt mit Schusswaffe“ kein wirklicher Roman ist

Eine eindeutige, scharf umrissene Definition der Kategorie Roman gibt es nicht. Allerdings dürfte weithin Einigkeit darüber herrschen, dass ein Roman zu den erzählenden Gattungen der Literatur gehört. „Selbstporträt mit Schusswaffe“ jedoch ist genau dies über weite Strecken nicht. Der Autor ergeht sich stattdessen in langen, schwülstigen Schachtelsätzen, die sich ohne Probleme über zehn Zeilen erstrecken können. Er schwelgt in Erinnerungen an so manche Empfindung und gewisse Lebensumstände des DDR-Alltags und bringt somit verloren geglaubte Erinnerungen zurück. Er ist dabei sehr detailgetreu und versteckt in seinen Sätzen zahlreiche Anspielungen, die wirklich nur ehemalige DDR-Bürger entdecken und logisch einordnen können.
Damit erklären sich zwar das Wie und das Warum mancher historischen Entwicklung. Doch Thomas Fritz geht das Risiko ein, den Leser zu langweilen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die eigentliche Handlung nur begleitendes Stückwerk dieser endlosen Erinnerungstiraden ist. Der Leser eines Romans jedoch kann mit Fug und Recht erwarten, dass es sich genau umgekehrt verhält: Historische Detailtreue soll die Handlung schließlich plastischer und nachvollziehbarer machen.
Bei „Selbstporträt mit Schusswaffe“ hingegen braucht auch der wohlwollende Leser viel Geduld. Die auf den ersten Seiten noch erkennbare Handlung verliert sich bald in einem verwirrend mosaikartigen Gesellschaftsbild und lebt erst nach ungefähr 160 Seiten wieder auf.
Dies bedeutet natürlich nicht automatisch, dass Thomas Fritz ein schlechtes Buch geschrieben hat. Nur die Außendarstellung entspricht eben nicht dem, was der Inhalt hergibt. Wer gern noch einmal in lächelnder Selbstanalyse das Lebensgefühl der untergegangenen Republik erforschen möchte, ist mit dem Buch gut beraten. Wer allerdings einen packenden Krimi rund um die deutsche Teilung erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht werden. Daran ändern auch seltsam übereinstimmende Lobeshymnen (genannt „Kundenbewertungen“) beim Internet-Versandhändler Amazon nichts...