Soziale Auswahl bei Kündigungen
Sozialauswahl bei einer Versetzungsklausel
Während die wenigsten Arbeitnehmer ausreichende Informationen über die betriebsbedingten Gründe, die hinter einer Kündigung stecken, haben, hat man doch auch als Laie ein gewisses Gefühl dafür, wer sozial mehr oder weniger schutzwürdig ist.
Sozialauswahl nur bei betriebsbedingten Kündigungsgründen
Das Kündigungsschutzgesetz schreibt eine Sozialauswahl nur bei dem Ausspruch eine betriebsbedingten Kündigung vor. Die Kriterien Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten sind noch relativ einfach verständlich. Schwieriger wird es allerdings, wenn der Kreis derjenigen zu bestimmen ist, die in die Sozialauswahl mit einzubeziehen sind.
Wer ist bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen?
In die Sozialauswahl einzubeziehen sind vergleichbare Arbeitnehmer und vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Hierfür muss man den Arbeitsvertrag betrachten und dieser enthält oft Versetzungsklauseln, die die Einsatzmöglichkeit der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber erweitert. Das, was für den Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis eine gute Sache ist, denn es erlaubt ihm den flexiblen Einsatz, kommt nun im Rahmen eines Streites über die Kündigung, dem Arbeitnehmer zugute. Denn je größer der Bereich ist, in dem er arbeitsvertragsgemäß beschächtigt werden kann, desto größer ist auch der Kreis derjenigen, die in die Sozialauswahl einzubeziehen ist. Damit steigt auch die Chance, dass es "andere erwischt", die sozial weniger schutzwürdig sind.
Was ist mit einer unwirksamen Versetzungsklausel?
Grundsätzlich gehört es zum Wesen des Arbeitsverhältnisses, dass der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag und innerhalb der Grenzen des Arbeitsvertrages Ort, Zeit und Art der Arbeitsleistung bestimmen kann. Eine Klausel, die nur diesen allgemeinen Grundsatz des Arbeitsrechts wiedergibt, ist unproblematisch wirksam. Problematisch wird es bei einer Klausel, die die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit zulässt. Solche Tätigkeiten können eigentlich nur im Wege einer Änderungskündigung von dem Arbeitnehmer verlangt werden. Eine Klausel, die dem Arbeitgeber eine solche Möglichkeit eröffnet, stellt eine unangemessene Benachteiligung dar und ist deshalb unwirksam (BAG 25.08.2010 - 10 AZR 275/10).
Welche Auswirkungen hat nun die unwirksame Versetzungsklausel auf den Kreis derjenigen, die in die Sozialauswahl einzubeziehen sind?
Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass die unwirksame Versetzungsklausel, als nicht vorhanden betrachtet wird und nur diejenigen Arbeitnehmer, die ohne die Versetzungsklausel austauschbar wären, einzubeziehen sind. Auf der anderen Seite könnte man auch die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber, der die unwirksame Versetzungsklausel vereinbart hat, nun nicht im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses, sich auf die Unwirksamkeit beruft und dann den kleineren Kreis der Arbeitnehmer berücksichtigt.
Rechte Dritter sind betroffen
Das letzte Argument überzeugt nur auf den ersten Blick und wird auch vom BAG (15.12.2005 - 6 AZR 199/05) nicht geteilt.
Denn, wenn die Klausel, weil vom Arbeitgeber selbst "verursacht" als wirksam betrachtet wird, betrifft das nicht nur den Arbeitgeber sondern auch die von Arbeitnehmern, die aufgrund der weiteren Sozialauswahl auf einmal ihren Arbeitsplatz verlieren. Die könnten in ihrem eigenen Prozess mit guten Argumenten sagen, dass sie nur deshalb in die Sozialauswahl hineingekommen sind (und gekündigt wurden) weil eine unwirksame Versetzungsklausel bei Frage der Einbeziehung in die Sozialauswahl angewandt wurde. Das darf aber nicht sein.
Fazit:
Eine unwirksame Versetzungsklausel erweitert nicht den Personenkreis der Arbeitnehmer, die in die Sozialauswahl einzubeziehen sind.
Quellen:
Bundesarbeitsgericht 25.08.2010 - 10 AZR 275/10
Bundesarbeitsgericht 15.12.2005 - 6 AZR 199/05
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors zur Rechtslage zur Zeit der Abfassung wieder, Er kann und will nicht die Beratung im Einzelfall durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin ersetzen. Er ist bewusst vereinfacht geschrieben und verzichtet auf die Darstellung des "dritten Sonderfalls der fünften Ausnahmeregelung".