Rosi

Erziehung & Kinder

Tatort Frankfurt: Leerstand (Hessischer Rundfunk 2005)

01. Entstehungsgeschichte

  • Der Film basiert auf dem realen Fall von Jakob vno Metzler aus dem Jahr 2002. Für mindestens genauso viel Aufsehen wie die Entführung und Ermordung des Frankfurter Bankiersohnes sorgten damals auch die Verhörmethoden der Polizei: der Polizeivizepräsident ließ dem Täter Gäfgen Schmerzen androhen, sollte er nicht Jakobs Aufenthaltsort verraten.
  • Niki Stein entschloss sich shcnell aus der besonderen Situation der ermittelnden Beamten einen Film zu machen. Den geeigneten Schauplatz dafür fand er beim Dreh zu "Das Böse": das leerstehende alte Frankfurter Polizeipräsidium.
  • Zugang zu seiner Geschichte wurde für Stein der Begriff "Albtraum", den die vorgeladenen Beamten im Metzler-Prozess benutzten, um die damaligen Ereignisse zu beschreiben. (Quelle: www.hr-online.de)

02. Trauminszenierung

2.1 Traumsymbolik

Bei Dellwos und Sängers Ankunft im Präsidium läuft "Wish you were here" von Pink Floyd:

  • die Beiden werden an diesem symbolischen Ort schon erwartet
  • Aufforderung an den Zuschauer, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen.
  • Verweis auf die Problematik einer klaren Abgrenzung von Gut und Böse

Dellwos Wunder auf der Stirn:

  • der Fall hinterlässt seine Spur bei Dellwo
  • Betonung der Stirn: Gehirn ist der Entstehungsort von Erinnerungen und Träumen

Fromms Endoskopie führt vor Augen, dass der ganze Film eigentlich Bilder aus dem Inneren zeigt

2.2 Auseinandersetzung mit Mach und Ohnmacht

  • Zu Beginn der geiselnahme wandert die Waffe mehrere Male zwischen den Beamten und den Geiselnehmern hin und her >>> wechselnde Machtverhältnisse
  • Fromm ist wegen der Endoskopie ans Bett gefesselt >>> Spiegelung/Umkehrung der Folter Kerns durch Fromm: damals ließ sich Fromm durch nichts und niemanden zurückhalten, heute genügen wenige Worte um ihn umzustimmen.
  • Zuspitzung der "Machtproblematik" in der Konstellation Decker-Kern: beide haben gleichzeitig Macht übereinander und sind doch abhängig voneinander

03. Architektur und Bedeutung des leeren Präsidiums

Das leerstehende Gebäude ist ein geisterhafter Ort >>> Assoziation zu Tod und Vergänglichkeit:

  • zahllose leere Gänge mit kahlen, weißen Wänden strahlen Kälte aus
  • deutliche Zeichen des Verfalls: Graffiti an den Wänden der alten Büros, neue Bewohner haben das haus "übernommen"

Das Gebäude wird inszeniert als Labyrinth >>> Orientierungslosigkeit

  • alle Gänge und etagen sehen gleich aus
  • vieles hat sich verändert im Vergleich zu früher: zahlreiche Türen sind verschlossen, manche sogar zugemauert

Das Gebäude wird für alle Beteiligten zum Gefängnis, vor allem in dem Sinne, dass sie von dem Ort nicht loskommen >>> der Fall von Ulrike Decker und das Gebäude sind untrennbar miteinander verbunden

04. Charakterisierung von Dellwo und Sänger

  • Der Film wird als Traum Dellwos aufgelöst
  • Dellwo wird von seiner verletzlichen Seite gezeigt: Der Fall Ulrike Decker nagt immer noch an ihm
  • Dellwo wohnt erneut bei Sänger - sowohl im Traum, als auch in der Realität
  • Der Fall wird ausgerechnet von Sänger gelöst - der Einzigen, die damals nicht an den Ermittlungen beteiligt war

05. Erzählhaltung und Atmosphäre

  • Im Vordergund steht eine menschliche Geschichte und nicht der Kriminalfall

Die Trennlinien zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch verschwimmen:

  • Verhörmethoden von Fromm und Dellwo
  • Decker wird zum Geiselnehmer, um endlich seine Tochter zu finden
  • Kerns Familiengeschichte
  • Die Rückkehr ins alte Präsidium soll eine endgültige Abrechnung mit der Vergangenheit darstellen
  • Das leerstehende Gebäude dient als Metapher für Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit
  • Die Tatort-Folge nimmt Züge eines David Lynch-Films an.