Erziehung & Kinder
Unfreiwillig braver Soldat Schwejk
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Bei der Nationalen Volksarmee der DDR kam ich mir genau so unfreiwillig komisch vor, wie Heinz Rühmann in seiner Film-Rolle als braver Soldat Schwejk, der zum Wehrdienst einberufen wurde und dabei von den Vorgesetzen zum Idioten gedrillt wurde. Der brave Soldat Schwejk trickste mit raffinierter Verschmitztheit, seine autoritätsbesessenen Vorgesetzten aus und stellte sich dabei dümmer an, als es die Armee erlaubt.
Die Missgeschicke machten mich zum Schwejk
Vom ersten Tag an, passierte mir bei der Armee ein Missgeschick nach dem anderen. Es begann damit, dass mein rechter Stiefel mir nicht passte. Ich hatte nur den Linken anprobiert. So marschierte ich ein paar Tage lang mit meinen Gummipantoffeln einher. Ausgerechnet ich, stand immer in der vordersten Reihe bei allmorgendlichen Fahnenappell. Ich weiss nicht, warum sich der kleine untersetzte Hauptwachmeister besonders für meine Kragenbinde interessierte. Ich fande es komisch, wie er sich auf die Stiefelspitzen stellte und meine weiße Kragenbinde immer überprüfte, ob die noch weiss genug war. Jedoch meinen Stiefeln, besser bezeichnet meinen Gummipantoffeln würdigte er nie eines Blickes. Die zweite Reihe überprüfte er gar nicht erst, das taten dann zwei Unteroffiziere. Unser Unteroffiziere empfand solche Überprüfungen unter seiner Würde. Er gab den kurzen Befehl:“ Kragen zuknüpfen!‘
Jedoch der andere Unteroffizier war besonders dienstgeil. Er trug immer einen Stahlhelm, er ging durchs seine Reihen und überprüfte die Krangenbinden seiner Kanoniere noch eifriger, als der Hauptwachmeister.
Idiotische Befehle
In jeder freien Minute tauchte der Unteroffizier auf, ein kleiner Napoleon, der rechte Arm immer unter der Schützenkette, die er immer trug, die Hand in der Uniformjacke . Immer gab er den Befehl: „Das Kochgeschirr an die linke und den Stahlhelm an die rechte Seite vorne ans Bett hängen!“ Danach kommandierte er:“18! 27! Mach`s!“ Wobei jeder mitkommandieren durfte, falls er eine gute Skatkarte hatte.
Kaum war der Unteroffizier zur Tür hinaus, schon kam unser Gruppenführer, ein gewöhnlicher Kanonier, herein und befahl: „ Das Kochgeschirr an die rechte Seite und den Stahlhelm an die linke Seite hängen!“
Jedoch wenig später, gab Napoleon wieder den Umhängebefehl. So waren wir in unser freien Zeit laufend damit beschäftigt unsere Kochgeschirre und Stahlhelme mal nach links, dann wieder nach rechts zu hängen. Ich hängte Kochgeschirr und Stahlhelm hinten ans Bette, das fiel gar nicht auf. Ich marschierte noch einige Tage mit meinen Gummipantoffeln umher. Jedoch als ich einmal meine Pantoffeln besonders laut und zackig zusammenknallte, da brüllte natürlich, unser Zugführer los wie am Spieß. Empörte meldete unser Zugführer dem Napoleon, dass ein Genosse mit Filzlatschen im Dienst herummarschiere und die Dienstordnung Nationalle Volksarmee lächerlich mache. Napoleon schickte mich ohne viel Theater zur Kleiderkammer, wo ich endlich ein paar passende Stiefeln bekam.
Mit der Grussordnung auf Kriegsfuß
Selbst mit der sozialistischen Grußordnung stand ich auf Kriegsfuß. Dauernd wurde ich zusammen gestaucht, zuerst von einem Major, als ich eine Bierflasche trug, den ich höflichst mit „Der Hand an die Stirne“ grüßte. „Wenn man etwas in den Händen trägt, muss man mit einer kurzen Blickwendung grüßen!“ Jedoch meiner Bierflasche würdigte er keines Blickes. Ebenso erging es mir beim Fensterputzen, als ich mit sozialistischer Pflichttreue natürlich wieder mit „Der Hand an die Stirne“ grüßte, als zwei Wachtmeister die Treppen hinaufstürmten: „Beim Arbeitsdienst grüßt man nicht. Genosse Kanonier, merken Sie sich das gefälligst.“ Automatisch machte ich wieder ein Männchen mit der Hand an Stirne und rief: „Ja-wohl!“
„Sind Sie wahnsinnig, Sie grüßen ja schon wieder!“ brüllte der eine Wachtmeister. Aber der Genosse Oberwachmeister brüllte nicht, sondern flüsterte fast leise. Er teilte mich alleine zum Treppenreinigen von vier Stockwerken ein, die anderen sollten die sauberen Türen noch einmal putzen, die der Genosse Oberwachmeister nicht kontrollierte. Als ich fertig war, schüttelte er seinen Kopf, etwas zu freundlich war er mit meiner Reinigung nicht zufrieden: „Wie sieht denn der Eingang aus? Ich rate Ihnen, sich in der Küche einen Eimer mit warmem Seifenwasser zu holen, damit lässt es sich viel besser reinigen!“
Doch meine Säuberungsversuche waren vergebens. Der mehrere Jahre alte, graue, unsauber verarbeitete Fliesenmörtel blieb grau. Dann kratzte ich mit einer Tonscherbe den ganzen Tag lang wiederum vergebens auf den Fliesen herum.
Mein Rücktritt als braver Soldat Schwejk
Meine patriotischen Vorstellungen von einer sozialistischen Volksarmee musste ich Stück für Stück preis geben, folgte eine Enttäuschung nach der anderen, da kam ich mir nicht als stolzer Vaterlandverteidiger, eher wie ein Gefangener vor. Empört beschloss ich, meinen Fahneneid zu verweigern. Ich begriff die moralische Unordnung in unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung nicht, die viele so in Ordnung fanden.
Heute lache ich darüber, wenn ich mich an meine komische Rolle, als braver Soldat Schwejk bei der Volksarmee erinnere. Diese war fast filmreif.