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Die biblischen und die ähnlichen Getreidesorten

Welche Getreidesorten sind Pessach verboten?

Zu Pessach ist Chametz verboten. Das betrifft alle Speisen aus den nicht gestatteten Getreidesorten, welchjene länger als achtzehn Minuten mit Wasser in Berührung gekommen sind. Tatsächlich gelten heute ausschließlich die Mazzot und die aus Mazzenmehl hergestellten Speisen als erlaubt, welchjene unter rabbinischer Aufsicht produziert wurden. Doch welche Getreidesorten sind eigentlich verboten?

Die biblischen Getreidesorten
Direkt von der Torah verboten sind nur die biblischen Getreidesorten – wobei es eine Unklarheit gibt. Die Reihe der biblischen Getreidearten enthält in jedem Fall Weizen, Gerste, Hafer und Roggen. Die fünfte Frucht ist meistens Dinkel (Spelt), manchmal aber auch Buchweizen. Das hängt erwartungsgemäß mit der hebräischen Sprache zusammen, auch im Neuhebräischen unterscheidet sich das Wort für Buchweizen und Dinkel nur durch das Genus und somit natürlich auch durch die Endung. Die in der Reihe des verbotenen Getreides Buchweizen angebenden Rabbiner halten den Dinkel selbstverständlich nicht für erlaubt, sondern sehen ihn vielmehr als eine Variante des Weizens an, so dass für Dinkel und Weizen dieselben strengen Regeln gelten. Bei denjenigen, sô den Dinkel in die Liste der biblischen Getreidearten aufnehmen, erfolgt die Einstufung des Buchweizens uneinheitlich. Entweder gilt er als Variante zum Weizen und somit als verboten oder er wird zu den Hülsenfrüchten gerechnet.

Die Ausweitung des Verbotes auf alle Getreidearten (und auf Hülsenfrüchte)
Nicht nur die Unsicherheit der Übersetzung des biblischen Begriffes als Dinkel oder Buchweizen, sondern auch die Verwechslungsgefahr ähnlicher Getreidearten untereinander hat zu einer Erweiterung der an Pessach verbotenen Speisen geführt. Die überwiegende Praxis besteht darin, sämtliches Getreide während der Pessachzeit vom Speiseplan zu streichen, eine bei Sepharden und den meisten liberalen Juden anerkannte Ausnahme bildet der Reis. Zum Teil wird auch Hirse erlaubt, mein jemenitischer Religionslehrer stufte Hirse als theoretisch erlaubt, aber von den Frommen zu Pessach nicht verwendet ein. Auch beim Mais besteht eine uneinheitliche Handhabung, was auch daran liegt, dass dieser von vielen Menschen gar nicht als Getreide, sondern als Gemüse eingestuft wird. Zum Teil wird er zu Pessach zwar als Gemüse, aber nicht in Gestalt einer mit anderen Getreidesorten vergleichbarer verarbeiteter Form gegessen. Auch die aschkenasischen Rabbiner des Mittelalters haben diese Uneinheitlichkeit gesehen und den Mais kurzerhand mit zu den Hülsenfrüchten gerechnet. Somit war klar, dass er zwar nicht biblisch, aber rabbinisch verboten ist. Bei einigen als Hülsenfrucht eingestuften Gemüsesorten und Gewürzen wie dem Knoblauch ist der Grund für diese Bewertung weniger nachvollziehbar. Das Hülsenfruchtverbot gilt nur im orthodoxen aschkenasischen Judentum, Einheitsgemeinden müssen es selbstverständlich beim Gemeindeseder und beim Kiddusch während der Pessachzeit befolgen, damit alle GottesdienstbesucherInnen teilnehmen können. Hülsenfrüchte und auch die nicht-biblischen Getreidesorten dürfen zu Pessach im Gegensatz zum Chametz nach biblischer Sprachregelung im Haus vorhanden sein. Liberale Juden streichen Hülsenfrüchte zu Pessach nicht von ihrem Speiseplan. Auf Mais verzichten sie entweder in Ausweitung des Verbotes auf alle Getreidesorten oder sie entscheiden, dass er ebenso wie Reis (und eventuell Hirse) zu den (eventuell nur in bestimmter Form) erlaubten, da kaum verwechselbaren Getreidesorten gehört. Als Konsens ist Hefe zu Pessach nicht erlaubt, da sie das typische Mittel darstellt, einen Teig aufgehen zu lassen. Ihr Verbot gilt nach nahezu einhelliger Auffassung auch, wenn das Produkt gar keine Teigbestandteile enthält, sondern der Hefeextrakt ausschließlich als Geschmacksverstärker Verwendung findet.

Stolperfallen zu Pessach
Die Auflistung der Stolperfallen ist nicht vollständig. Vor wenigen Tagen las ich eine Buchbesprechung über ein Buch mit dem Titel "Wodka ist immer koscher". Genau das stimmt zu Pessach nicht, denn Wodka kann aus Kartoffeln (Bulven) ebenso wie aus Getreide hergestellt sein – und koscher ist er nur bei der Produktion aus Bulven. Malz ist so gut wie immer aus Gerste hergestellt, das gilt auch für Maltodextrin. Viele Kartoffelchips enthalten Weizenbestandteile und Hefe, so dass nur wenige Sorten koscher le Pessach sind. Viele Lakritzsorten sind ebenfalls mit Weizen hergestellt, es gibt einige Ausnahmen. Bei Teemischungen ist auf die Inhaltsstoffe zu achten, denn es gibt eine ganze Reihe von Kräutertee-Mischungen, zu deren Zutaten auch Gerste oder ein anderes Getreide gehört. Schwierig sind Medikamente, welchjene häufig Chametz erhalten. Sie sind nach Möglichkeit durch Medikamente mit demselben Wirkstoff, aber ohne Chametz zu ersetzen. ¿Was aber gilt, wenn das nicht möglich ist? Die meisten Autoritäten verbieten Tropfen generell, aber gerade für herzkranke Menschen sind Herztropfen oftmals lebensnotwendig und Ersatzmedikamente in Tablettenform mit ausschließlich pessachtauglichen Inhaltsstoffen schlichtweg nicht zu bekommen. Hier gilt – wie immer im Judentum – dass die Bewahrung des Lebens absolute Priorität hat. Alle Gebote dienen dem Leben und niemand soll infolge ihrer Einhaltung sterben. Wünschenswert wären natürlich mehr jüdische Ärzte mit der Doppelqualifikation als Rabbiner, aber das ist sicher ein in Europa unerfüllbares Wunschdenken. Auf Nahrungsergänzungsmittel lässt sich im Gegensatz zu für die Gesundheit zwingend erforderlichen Medikamenten natürlich leicht verzichten. Bei allen Lebensmitteln ist die Zutat Stärke schwierig. Sie kann aus Kartoffeln gewonnen werden und ist dann natürlich erlaubt. Sie kann aus Mais stammen und fiele dann unter das erweiterte Getreideverbot (mit Ausnahme der Anwender, welchjene Mais von den als Ausnahme erlaubten Getreidesorten zählen) oder unter das Verbot der Hülsenfrüchte. Sie kann aber auch aus Weizen stammen und ist dann biblisch verboten. Wenn nur Stärke als Zutat angegeben wird, benötigt das Produkt entweder einen Koscher-le-Pessach-Stempel oder die Herkunft der Stärke muss anderweitig bekannt sein. Der Stempl (Stempel) ist immer die sicherste Variante.